Michael Fuchs: CDU/CSU-Fraktions-Vize meint, Wirtschaft und Gesellschat – Analyse & Meinung würde nicht gebraucht – und zeigt, wie sehr dieses Medium gebraucht wird

Michael Fuchs ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ob er das im Haupt- oder Nebenberuf ist, wird nicht so ganz deutlich, sobald man sich seine entgeltlichen Tätigkeiten neben dem Mandat anschaut (siehe dazu zuletzt hier; aktuell auf der Internetseite des Deutschen Bundestags siehe hier). Würden für ihn dieselben Regeln gelten, wie für Formel-Eins-Fahrer, würde Fuchs also all seine “Nebentätigkeiten” bzw. die Unternehmen und Organisationen, für die er tätig ist, als Logo auf seinem sicherlich nicht billigen Zwirn tragen, dann würde es wohl eng, aber er wäre ein richtiger Farbtupfer am Rednerpult des Deutschen Bundestages. Gestern nun hat Fuchs sich zur Eurokrise geäußert und seine Pressemitteilung, die er zusammen mit Ralph Brinkhaus verfasst hat, seines Zeichens Mitglied des Deutschen Bundestages und dort stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss, über twitter verbreitet. Der Inhalt der Pressemitteilung hat mich dazu bewegt, Fuchs zunächst einmal mit einer Polemik herauszufordern. Hier unser kurzer Schlagabtausch auf twitter im Original:

Der "retweet" (grün) und der Favorit (orange) ist von Wirtschaft und Gesellschaft - Analyse & Meinung gesetzt. Zur Vergrößerung auf Bild klicken.

Ich finde die Reaktion von Fuchs, nachdem ich etwas länger darüber nachgedacht habe, gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert. Vorweg muss man aber natürlich in Rechnung stellen, dass Fuchs durch meine polemische Frage provoziert wurde. Es spricht also in meinen Augen gar nichts dagegen, dass Fuchs mit einer Polemik antwortet. Die Aussage von Fuchs aber ist, so inhaltslos sie auf den ersten Blick auch ist, aus anderen Gründen doch vielsagend.

Erstens, geht Fuchs nicht auf den Gehalt meiner Frage ein, der sich hinter meiner Polemik verbirgt. Dazu hätte er natürlich ein paar Worte darüber verlieren müssen, was er unter “Strukturreformen” versteht, und welchen Beitrag diese zur Überwindung der Eurokrise leisten sollen. Aber das ist ja bereits der erste Vorwurf, den er und seine KollegInnen wie auch die einschlägigen Medien (Fuchs ist sehr häufiger Interview-Partner des Deutschlandfunks [siehe dazu hier], ohne dass dieser öffentlich-rechtliche Sender meines Wissens nach jemals die umfangreichen Nebentätigkeiten des Herrn Fuchs auch nur angesprochen hätte) sich gefallen lassen müssen: Das, was sich hinter dem harmlos klingenden Wort “Strukturreformen” verbirgt, wird häufig entweder gar nicht erwähnt, erklärt oder gar hinterfragt. Staatliche Ausgabenkürzungen, Lohnsenkungen, der Abbau von Arbeitnehmerrechten (Strukturreformen) werden als selbstverständliches Allheilmittel zur Überwindung ökonomischen Probleme angesehen. Sie gelten allgemein als alternativlos. Die ökonomischen und sozialen Verwüstungen, die diese nun schon über Jahre praktizierte Politik in vielen Ländern angerichtet hat, fallen dabei regelmäßig unter den Tisch. Über sie wird, wenn überhaupt, nur in gesonderten Reportagen oder Hintergrundsendungen berichtet, die niemals dieselbe Reichweite haben können, wie die tägliche Berichterstattung.

Vor diesem Hintergrund bekommt die Aussage von Fuchs doch noch einen Gehalt: Denn natürlich sind es Politiker wie Fuchs, die sehr wohl dafür verantwortlich sind, dass viele, ja, Millionen Menschen “nicht gebraucht werden”. Denn es sind zum einen die von ihm mit verantworteten “Strukturreformen”, die Millionen Menschen arbeitslos gemacht, sie ihrer Existenz und Perspektiven beraubt, ja, viele auch in den Selbstmord getrieben haben. Das gilt nicht nur für die so genannten Krisenländer, in deren Richtung die Pressemitteilung von Fuchs und Brinkhaus zielt. Es gilt in selbem Maße für Deutschland. Wir haben dies gerade erst gestern mit Bezug auf eine Äußerung des SPD-Vorsitzenden und Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, erneut deutlich gemacht. Gabriel ist dabei keineswegs weniger kaltschnäuzig und inhaltlich nicht weniger überfordert als sein Kollege aus der Union.

Zweitens, gilt vor diesem Hintergrund natürlich das glatte Gegenteil von dem, was Fuchs annimmt: Seine Aussage unterstreicht doch nur, wie sehr ein Medium wie das meine tatsächlich gebraucht wird. Denn hier wird noch Analyse geboten, hier werden die Dinge und Personen und deren Aussagen und Tätigkeiten noch hinterfragt. Deswegen muss sich nicht zuletzt auch der Deutschlandfunk fragen lassen, warum er, erstens, Politiker wie Fuchs ständig interviewt, ohne auf dessen Nebentätigkeiten und die damit möglicherweise verbundenen Interessenskonflikte zu seiner Abgeordnetentätigkeit hinzuweisen, und zweitens, warum er ein Medium wie das meine nicht auch in den täglichen Pressespiegel hereinnimmt oder mich als Journalisten und Herausgeber in seinen Gastkommentaren oder Diskussionsrunden nicht genauso selbstverständlich zu Wort kommen lässt wie Redakteure anderer Medien. Denn angesichts der aufgezeigten Defizite in Politik und Medien, für deren Darstellung Fuchs und der Deutschlandfunk hier ja nur exemplarisch dienen, kann gar kein Zweifel daran bestehen: Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung wird dringend gebraucht. Über die Seriösität bräuchte sich der Sender dabei nicht zu sorgen: Neben aufgeweckten BürgerInnen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen, was ich besonders wertvoll finde, zählen auch Professoren, ja selbst ehemalige Mitglieder des Sachverständigenrats, zu unserer aufmerksamen Leserschaft, wie unsere Rubrik “Leserbriefe” genauso eindrucksvoll belegt, wie zahllose Gastbeiträge namhafter Professoren, Autoren und anderer Intellektueller.

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