Pfingsten im Regierungsviertel – über Erhabene und Habenichtse

Das Regierungsviertel, nahezu menschenleer. Es erstrahlt so in voller Schönheit. Geradezu erhaben – ohne die ganzen durchgestylten, aufgetakelten Bundestagsabgeordneten, die in die “Volksvertretung” gehen, als handele es sich um einen Opernbesuch. Was es für viele Bundestagsabgeordnete gemessen an ihren Aussagen ja auch ist. Sie sind auf ihre Weise erhaben.

Vergangene Woche war “Sitzungswoche“. So werden die Wochen genannt, in denen die Bundestagsabgeordneten die Menschen in ihren Wahlkreisen für einen Moment in Ruhe lassen, ihnen nicht versuchen Luftballons und Fähnchen in die Hand zu drücken, nicht mit irgendwelchen Ständen vor irgendwelchen Supermärkten im Weg stehen, um über ihre Politik hinwegzutäuschen, die die Menschen zwingt, in eben jenen Supermärkten möglichst billig einzukaufen oder sich gleich davor zu setzen, um einige Euro zu erbetteln. Der/die Bundestagsabgeordnete kauft woanders. Wer wollte den Abgeordneten das alles verübeln? Ich.

In den Sitzungswochen ist das Regierungsviertel immer ziemlich voll. Die Abgeordneten sitzen dann nämlich nicht nur im Parlament, wo sie vielleicht nicht einmal die meiste Zeit verbringen, sondern auch in ihren schwarzen Dienstlimousinen. Straßensperren wohin man schaut, flankiert von martialischen Motorradstaffeln. Ein Anachronismus in meinen Augen. Einer Demokratie unwürdig. Einsam daraus hervor ragt im Straßenverkehr des Regierungsviertels immer Hans Christian Ströbele, der heute übrigens Geburtstag hat. Herzlichen Glückwunsch! Er nimmt immer noch sein altes, klappriges Fahrrad. Vielleicht ist er deswegen etwas näher an den Menschen dran. Wenn er sich seinen Weg durch die Obdachlosen am Bahnhof Friedrichstraße bahnen muss, zum Beispiel. Wahrscheinlich sogar. Aber irgendwie passen die schwarzen Dienstlimousinen auch. Sie können als Symbol gesehen werden für die Abgehobenheit und Menschenferne politischer Entscheidungen.

Mein Wunsch deswegen zu Pfingsten: Es muss ja nicht gleich der Heilige Geist sein, mit denen die Abgeordneten zu Pfingsten erfüllt werden. Ein bisschen Realitätssinn und Nähe zu den Menschen wäre schon ein wirklicher Gewinn.

Ob die Abgeordneten der Christlich Demokratischen Union und der Christlich Sozialen Union heute in der Kirche waren? Das würde mich schon interessieren. Auch, wie sie ihre Politik mit ihrem Glauben vereinbaren können.

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