Börner/Ramsauer/Blome/Gabriel: Die deutsche Arroganz in Arbeitgeberlobby, Politik und Medien ist so präsent wie nie – eine Gefahr für Europa

Ob die Franzosen mitbekommen, wie sich deutsche Arbeitgeberlobbyisten, Politiker und führende Medienvertreter über ihr Land äußern? Ich befürchte nicht. Erst gestern haben wir Anton Börner, Präsident des Bundersverbands Großhandel. Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA), in einem englischsprachigen Beitrag aufgegriffen. Ein Interview mit Peter Ramsauer, CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, heute früh im Deutschlandfunk stößt in dasselbe Horn wie Börner. Ebenfalls am Wochenende war auf “Spiegel online” ein Kommentar von Nikolaus Blome zu lesen, früher “Bild” heute “Bild am Montag”, wie schon der alte Herbert Wehner den Spiegel richtig einordnete. Blome weiß ebenfalls, was richtig für Frankreich und ganz Europa ist. Und richtig kann in ihren Augen immer nur sein, am deutschen wirtschaftspolitischen Wesen, der Agenda 2010, zu genesen. Der Auffassung ist im übrigen auch der SPD-Chef und Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, über den sich jetzt alle die Mäuler zerreißen, der aber dasselbe zerstörerische Modell vertritt wie Börner, Ramsauer, Blome und all die anderen (siehe hierzu zuletzt hier). Gabriel will allenfalls die Zügel etwas lockern, unter denen der Lastesel die Reformkutsche ziehen soll. Und der Lastesel der Agenda 2010 und ihrer Sprößlinge (“Rettungsschirm”, “Strukturreformen”) war und ist noch immer die Bevölkerung – und damit auch die Mehrheit der Unternehmen, besonders die klein- und mittelständischen Betriebe! -, erst in Deutschland, jetzt in ganz Europa. Profiteure dieser jedes Gemeinwesen zerstörenden Politik waren immer nur wenige, ohnehin besser gestellte Eliten. Die deutsche Selbstgewissheit über ihr Wirtschaftsmodell muss jeden ängstigen, der sich ein friedliches, zusammenwachsendes, prosperierendes Europa wünscht.

Wir haben die Folgen der Agenda 2010 für Deutschland und Europa in ausführlichen Analysen immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln problematisiert (ausführlichere Analysen erscheinen in Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung seit März vergangenen Jahres im Abonnement, mit dem Ziel, dieses Medium wirtschaftlich tragfähig zu machen und weiter auszubauen, siehe dazu hier und hier). An dieser Stelle sei daher nur der bereits eingangs erwähnte Anton Börner zitiert. Die unten aufgegriffenen Sätze stehen exemplarisch für das desaströse Unverständnis, das sich der wirtschaftlichen, politischen und medialen Elite in Deutschland nun schon seit Jahren bemächtigt hat, und das, allen sozialen Verwüstungen und politischen Verwerfungen in Europa zum Trotz, die die Politik der Agenda 2010 hervorgerufen hat, extremer vertreten wird denn je. So verstanden haben wir es seit langem mit Extremisten zu tun. Dass deren Politik neue, demokratiefeindliche Extremisten, populistische und extremistische Parteien, hervorbringt, wie die Ergebnisse der Europawahlen gerade erst auf ebenso erschreckende wie unmissverständliche Weise bestätigt haben, steht in einem ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Politik, die die demokratisch gewählten Parteien in Deutschland ungeachtet dessen unbeirrt weiter vertreten.

Anton Börner, Präsident des BGA im Interview mit “Die Welt“:

So besserwisserisch es klingt, Frankreich muss die gesamte Agenda 2010 abarbeiten. Das Land muss sein rigides Sozialsystem lockern und den Arbeitsmarkt flexibler machen. Die Franzosen müssen später im Leben in Rente gehen, müssen die unglaublich enge Verquickung von Staat und Unternehmen lösen und Bürokratie abbauen. Das ist nicht einfach, letztlich wird es dazu führen, dass die Menschen für das gleiche Geld mehr arbeiten. Aber ich denke, die Franzosen werden das akzeptieren, wenn sie die Globalisierung besser verstehen. Die französische Bevölkerung will jedenfalls Veränderung und ist die etablierte Politik satt. Das hat die verheerende Europawahl gezeigt.

Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung finanziert sich ausschließlich über Abonnements und Spenden. Noch sind diese nicht Existenz sichernd. Guter Journalismus muss bezahlt werden, um zu überleben. Deswegen:

Abonnieren Sie Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung oder spenden Sie bitte an:




————————————————————-

Sie können helfen, unseren Leserkreis zu erweitern!

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

————————————————————-


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: