Es gibt Menschen, die sich tatsächlich darüber wundern, dass ein noch vom abgewählten FDP-Wirtschaftsminister Rösler in Auftrag gegebenes Gutachten zum Ergebnis kommt, dass “die Energiewende von der Politik nicht mit dem notwendigen Ehrgeiz betrieben wird” (Fritz Vorholz, Atomausstieg, Deutschland patzt bei der Energiewende, in: Die Zeit vom 14. Juli 2014). Auch die Klage von Energiekommissar Oettinger, es gebe gerade beim Thema Effizienz viele Blockierer, ruft Verwunderung hervor.
Das ist so, weil weithin angenommen wird, Energiewende und Energieeffizienz gehörten zwingend zusammen – wie es ja auch seit Jahren von Instituten und Parteien vorgebetet wird. Die einfache Wahrheit, dass jede beliebige Effizienzsteigerung nicht dazu führt, dass der verbleibende Energiebedarf durch erneuerbare Energien gedeckt ist, ist dabei offensichtlich vielen Akteuren und Kommentatoren aus den Augen geraten. Dies passt nun den Interessengruppen, die die überkommene fossilatomare Energieplanwirtschaft und deren Milliardengewinne möglichst lange aufrechterhalten wollen, wunderbar in ihr Konzept zur Behinderung und – wenn möglich – Rückabwicklung der Energiewende.
So spricht dann die oben angesprochene Studie tatsächlich davon, dass die Energiewende-Ziele im Strombereich “übertroffen” würden und legt dann den Fokus auf die Energieeffizienz – und schon wundert man sich eigentlich nicht mehr über Auftraggeber und Ergebnis: passt doch wunderbar zusammen. Schließlich legt das “Übertreffen” von Zielen nahe, dass hier gebremst werden muss, was der neue Wirtschaftsminister und sein grüner Staatssekretär – offenbar ganz im Sinne des Abgewählten – ja auch umgesetzt hat.
Anders als die Energiewende im Strombereich, berührt die Steigerung der Energieeffizienz nämlich nicht die ökonomischen Partikularinteressen von mächtigen Oligopolen, sondern liegt stattdessen sogar in der Natur der Sache des Industrialismus – bzw. allgemeiner gesprochen: des Kapitalismus. Dessen Triebfeder ist bekanntlich die Steigerung des Profits durch Steigerung der Produktivität. Dies kann bei einem hohen Automatisierungsgrad besonders auch durch Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden – insbesondere, wenn die Energiepreise vorhersagbar steigen. Man kann sich als PolitikerIn also hier bequem und konfliktscheu auf einen bestehenden Prozess aufsetzen, statt sich wie im Strombereich mit einem mächtigen Oligopol anzulegen.
Außerdem führt das Gerede vom Energiesparen bei vielen Menschen außerhalb des “sozialökologischen Milieus“, und das ist eine große Mehrheit, aus nachvollziehbaren Gründen zu Ängsten vor Konsumverzicht und vor Verlust der materiellen Lebensqualität. Die Ummünzung “der Energiewende” zur “Energieeffizienzwende” und zum Energiesparzwang spielt damit denen in die Hände, die seit Jahren mit teuren Desinformationskampagnen und mit “Neusprech” (“Rettet die Energiewende” ) das positive Image der Energiewende zu zerstören versuchen. Leider fällt es vielen Menschen gerade aus dem “sozialökologischen Milieu” sehr schwer, diesen Zusammenhang zu verstehen, da sie die ökonomischen Ängste anderer Milieus nicht kennen und daher nicht nachvollziehen können.
Dies alles vor Augen, kann man sich nur wundern, dass es Menschen gibt, die sich über die oben genannte Studie oder über die “Klage” des eingeschriebenen Energiewende-Gegners Günther Oettinger über die Bremser bei der Energieeffizienz wundern.
Die Energiewende aber ist und bleibt der Umstieg auf eine dezentrale und mittelständische Energieversorgung aus erneuerbaren Energien – zu 100%! Und anders, als bei den fossilatomaren Energieträgern, haben wir bei den erneuerbaren Energien kein Knappheitsproblem. Schon mit den heutigen Techniken können wir innerhalb von wenigen Jahren (nicht erst 2050) 100% unseres heutigen (!) Energiebedarfes aus erneuerbaren Energien decken, zu günstigeren Kosten, als bei Verbleib in der überkommenen fossilatomaren Energieplanwirtschaft. Die Energieeffizienzsteigerung in der Industrie, wie in der übrigen Wirtschaft und bei den privaten Haushalten kommt mit der richtigen Rahmensetzung (z.B. durch die Ermöglichung von steuer- und abgabenbegünstigtem Contracting) parallel und ohne Zwangsbeglückung von ganz allein.
Der Autor: Stephan Grüger ist Mitglied des Vorstands der deutschen Sektion von EUROSOLAR, Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien e.V. In Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung ist bereits von ihm erschienen:
Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung unterhält seit Ende vergangenen Jahres eine eigene Rubrik, “Energiewende – aber richtig“, zum Thema. Fundierte Gastbeiträge sind ausdrücklich erwünscht.
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