Auf Welt online ist über die gestern vom europäischen Amt für Statistik, Eurostat, veröffentlichten Daten zur Verschuldungsquote folgender Satz zu lesen:
“Euro-Zone häuft neun Billionen Euro Schulden an. Die Krise hinterlässt ihre Spuren. Europas Regierungen verschulden sich, um die Folgen zu bekämpfen.”
Diese Interpretation der “Schuldenberge” aber stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Man muss sogar soweit gehen, zu fragen, ob die für diese Herleitung verantwortlichen Journalisten die Entwicklung der vergangenen vier Jahre verschlafen haben. Denn Europas Regierungen haben in dieser Zeit ja gerade und explizit nicht versucht, durch Verschuldung die Folgen der Krise zu bekämpfen, sondern sie haben im Gegenteil versucht, durch eine vor allem auf staatliche Ausgabenkürzungen setzende Politik die Haushaltsdefizite zurückzufahren und so die Verschuldung zu senken bzw. deren Anstieg zu verlangsamen oder zu verhindern. Diese Politik hatte freilich zum Ergebnis, dass die Verschuldungsquote gestiegen und nicht gesunken ist. Warum das so ist, haben wir gerade gestern noch einmal mit Hilfe der Daten derselben Statistikbehörde, Eurostat, nachvollzogen und erklärt (siehe dazu hier, vollständiger Beitrag nur im Abonnement).
Sätze, wie der oben zitierte, sind in den so genannten Leitmedien durchaus nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wer aber Ursache und Wirkung verwechselt, die Verantwortlichen für die schlimme Entwicklung in der Europäichen Währungsunion – vor allem die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit – nicht nur nicht nennt, sondern von ihnen ablenkt, kann nicht zur Aufklärung und Lösung der Eurkrise beitragen, sondern verschlimmert sie.
Unter dem Text von Welt online steht dann als Quelle “AFP/cbo”. Das heißt, hier wurde ein Text der Nachrichtenagentur AFP zugrundegelegt, wenn nicht sogar komplett übernommen. Letzteres ist nicht ganz klar, weil nicht deutlich wird, ob cbo das Kürzel eines Welt-Autors ist oder für einen Autor bzw. eine Funktion bei AFP steht. Es hat sich dabei durchaus etabliert, dass so genannte Leitmedien Textmeldungen von Nachrichtenagenturen einfach übernehmen oder nur noch für ihre Belange redigieren. Eine unheilvolle Allianz, wenn man bedenkt, wie schnell auf diesem Weg fragwürdige oder objektiv falsche Meldungen weite Verbreitung finden können.
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