Spiegel/Programmbeirat/Kritik an Ukraine-Berichterstattung: Spiegel online fühlt sich wohl durch Kritik des ARD-Programmbeirats mit angegriffen – durchaus zurecht

“Der Spiegel” hat sich im Verlauf der Ukraine-Krise selbst mit äußerst einseitiger Berichterstattung als seriöses Nachrichtenmagazin disqualifiziert. Jetzt berichtet die Online-Ausgabe des Spiegel über die Kritik des ARD-Programmbeirats an der Ukraine-Berichterstattung der ARD. Die Art, wie Benjamin Bidder das unternimmt, lässt darauf schließen, dass sich der Spiegel durch die Kritik des Programmbeirats gleichsam selbst angegriffen fühlt. Dass dieses Gefühl durchaus berechtigt ist, zeigt nicht zuletzt der Artikel von Bidder. Der blamiert sich und seinen Arbeitgeber so richtig vor allem mit einer Argumentation.

Unter der Überschrift seines Beitrags heißt es zunächst in dicken Lettern: “Mitglieder des ARD-Programmbeirats greifen den Sender scharf an – wegen angeblich ´antirussischer Tendenzen´. Damit sagt Bidder schon sehr viel – über seine Qualität als Journalist. Denn natürlich hat der ARD-Programmbeirat den Sender wegen antirussischer Tendenzen kritisiert, nicht wegen “angeblicher”. Auch dass Bidder diese Kritik gleich vorweg als “scharfen Angriff” auslegt, zeigt, wohin Bidder seine LeserInnen lenken will. Das ist aber nur ein Vorgeschmack auf das, was kommt.

Gleich im ersten Absatz kanzelt Bidder den Programmbeirat als “sogenannten Programmbeirat” ab. Botschaft an seine LeserInnen: Den Programmbeirat muss man nicht ernst nehmen. Bidder unterstreicht das im Verlauf seines Textes noch, wenn er den Programmbeirat als “Laiengremium” hervorhebt.

Das Erste” beschreibt den Programmbeirat dagegen wie folgt:

“Der Programmbeirat ist ein föderal zusammengesetztes Beratungsgremium der ARD auf Bundesebene. Die Rundfunkräte der neun in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten entsenden aus ihrer Mitte per Wahl jeweils ein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied in den Beirat. Als Rundfunkräte nehmen die Mitglieder Aufgaben stellvertretend für die Gesellschaft wahr, da sie dieses Amt als Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen (z. B. Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Parteien, Frauen- oder Jugendverbände) innehaben.Daraus ergibt sich auch im ARD-Programmbeirat eine bunte Mischung von Menschen, die ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen vertreten und so die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln…Er berät den Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen und die Fernsehprogrammkonferenz, setzt sich kritisch mit dem Programmangebot auseinander, gibt Anregungen für die Programmgestaltung und –struktur und trägt diese über seine Mitglieder auch in die Gremien der neun Landesrundfunkanstalten und in die Konferenz der Gremienvorsitzenden…”

Und als ob es nicht selbstverständlich wäre, dass die Öffentlichkeit – die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziert – erfährt, wenn etwas schief läuft, ob sie von der ARD informiert oder manipuliert wird, kriminalisiert Bidder die Bekanntmachung als “durchgestochen”. Auch meint er zu wissen: “Sowohl Form und Schärfe der Kritik und die Art und Weise, wie sie öffentlich wurde, sind aber ohne Beispiel in der Geschichte der ARD.” Bidder belegt dies freilich nicht. Er unterstellt und behauptet. Das ist für sich genommen schon schlechter Journalismus.

So richtig blamiert sich Bidder dann aber damit, dass er meint, mit sage und schreibe vier (!) Sendungen, in denen Kritik an der Ukraine und am “Westen” und der NATO laut wurde, dem Vorwurf des ARD-Programmbeirats den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Es wurde aber über Monate tagein tagaus über die Ukraine berichtet. Mit seiner quantitativ wie qualitativ jämmerlichen Aufzählung unterstreicht Bidder ja geradezu, dass die Kritik des Programmbeirats an seinen Sendern völlig berechtigt ist. Eine offizielle Kritik übrigens, die längst überfällig war und in Sendern wie dem Deutschlandfunk immer noch längst überfällig ist.

Wenn Bidder schließlich Tom Buhrow zitiert:

“Aus Köln ist aber zu hören, dass Intendant Tom Buhrow seinen Reportern demonstrativ den Rücken stärkt. ´Unsere Kolleginnen und Kollegen leisten exzellente Arbeit´, schreibt Buhrow im Intranet des Senders. Den Vorwurf unsauberer und einseitiger Berichte werde man nicht auf sich sitzen lassen. ´Das geht an die journalistische Ehre´, heißt es dort weiter.”

Dann scheint dies ein weiterer untrüglicher Beweis dafür, dass die Kritik des Programmbeirats berechtigt ist. Denn wer seinen Reportern “demonstrativ” den Rücken stärkt und statt Gegenargumente zu präsentieren sich in seiner “Ehre” verletzt fühlt (eine Sprache, die mich eher an die Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs und davor erinnert), der hat inhaltlich ganz offensichtlich wenig gegen die vom Programmbeirat formulierte Kritik aufzubieten.

Weil dies alles so durchsichtig ist, lässt sich Bidders Beitrag vielleicht am besten so bewerten: Echt bidder. Für Bidder, den Spiegel, die Pressefreiheit, die Demokratie und den Frieden in der Welt, nur nicht für den Programmbeirat der ARD.

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