Medienkritik: Christine Heuer (Deutschlandfunk) reduziert Pilotenstreik auf persönliches Ticket-Problem und empfiehlt die “Wahl, einfach nicht zu streiken”

Als Sprachrohr der Arbeitgeberlobby scheint es für den Deutschlandfunk tatsächlich kein Halten mehr zu geben (siehe dazu zuletzt grundsätzlich auch hier). Eine neue Note, die der persönlichen Betroffenheit, gab diesem Phänomen gestern die Moderatorin Christine Heuer. Und was sie unter Wahlfreiheit versteht gab sie dem Sprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit gleich mit auf den Weg: “Aber es bliebe Ihnen die Wahl, einfach nicht zu streiken.”

Christine Heuers erste Frage an den Cockpit-Sprecher:

“Herr Wahl, ich wollte heute Mittag von Köln nach Berlin fliegen und Sie zwingen mich jetzt dazu, Auto zu fahren. Verstehen Sie, dass ich sauer bin auf Cockpit?”

Warum zwingt die Gewerkschaft sie dazu und nicht das Unternehmen, das soziale Errungenschaften abbauen will? Wahl reagiert verständnisvoll. Also packt Heuer den nächsten Hammer aus:

“Ja genau! Sie sind kleine Gewerkschaften. Auch Cockpit ist eine kleine Gewerkschaft. Es geht um eine ganz kleine Berufsgruppe. Und trotzdem sitzen Sie am längeren Hebel. Da ist das Streiken natürlich leicht!”

Was soll das? Hat Christine Heuer jemals einen Arbeitgeber vorgehalten, dass er “am längeren Hebel” sitzt? Warum soll es unter den gegebenen Bedingungen leicht für eine kleine Gewerkschaft sein, zu streiken? Im Gegenteil: Der politische und mediale Druck auf die kleinen Gewerkschaften ist besonders groß.

Heuer macht ungeachtet der sachlichen Antworten des Cockpit-Piloten unbeirrt weiter, sie interviewt nicht, sie agitiert:

“Aber immer zu Lasten der Reisenden!”

“Aber die (Reisenden, T.H.) leiden ja darunter. Finden Sie das noch angemessen?”

“Aber es bliebe Ihnen die Wahl, einfach nicht zu streiken. Anlass dieser Arbeitsaussetzung sind ja Abstriche an einer sehr großzügigen Vorruhestandsregelung für Piloten.”

“Glauben Sie eigentlich, Dachdeckern und Chirurgen, denen geht es besser und die sind nicht ausgelaugt in dem Alter?” (Heuer kommt überhaupt nicht darauf zu fragen, ob das nicht vielleicht ein Grund sei, dass etwas generell mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht stimmt.)

“Ein Flugticket bei Germanwings sollte ich und sollten andere in nächster Zeit besser nicht kaufen?”

Unter den Interviews des Deutschlandfunks steht jedes Mal:

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.”

Müsste es nicht unter solchen Interviews korrekterweise heißen:

“Äußerungen unserer Mitarbeiter geben deren eigene Auffassung und die der Arbeitgeber der interviewten Gesprächspartner wieder”?

Dann stellt sich freilich die Frage, ob der Deutschlandfunk sich das tatsächlich “zu eigen” macht, oder nicht.

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