Spiridon Paraskevopoulos: Wirtschaftswissenschaftler oder Kommunistenfresser?

Christine Heuer – die Deutschlandfunk-ModeratorInnen wählen sich meines Wissens nach ihre InterviewpartnerInnen selbst aus – kündigte ihn gestern als Wirtschaftswissenschaftler an: “Athen legt seinen Gläubigern eine Liste mit konkreten Maßnahmen zur Prüfung vor. Ist Griechenland noch zu retten? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Spiridon Paraskevopoulos. Er ist griechischer Wirtschaftswissenschaftler, lebt seit Jahrzehnten in Deutschland.” Irgendein ökonomisches Argument, irgendein ökonomischer Zusammenhang waren von Paraskevopoulos aber nicht zu hören, außer das übliche Korruptions- und Steuerfluchtgefasel, das nicht so recht erklären kann, warum Griechenland vor dem Ausbruch der Finanz- und Eurokrise ein Plus bei Wachstum und Beschäftigung verzeichnete.

Der größte “Steuerhinterzieher” ist indes das Ergebnis der “Reformen”, der Austeritätspolitik und deren Folgen: Der durch sie hervorgerufene Wachstumseinbruch hat zu einem massiven Steuerausfall geführt (siehe dazu auch hier). Und dass in der Not die Korruption steigt, ist sicherlich kein griechisches Phänomen, sondern ein allgemeines. Wer sich noch an die Asien-Krise erinnert, weiß, dass bis zum Ausbruch der Krise der Staat in Asien selbst bei IWF und Weltbank Anerkennung genoss. Kaum war die Krise da, drehte sich auch da die Diskussion plötzlich um korrupte Staaten. Das ändert nichts daran, dass in Griechenland das Steuerwesen verbessert werden muss. Nur ist es schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn deutsche Politiker – vielleicht keiner so häufig wie ausgerechnet der vom Deutschlandfunk inflationär interviewte Alexander Graf Lambsdorf (FDP) – jetzt ständig von Griechenland fordern, seine Vermögenden endlich ordentlich zu besteuern. Dieselben Personen also, die in Deutschland alles unternommen haben, um eine Wiedererhebung der Vermögensssteuer zu verhindern, trotz der seit ihrer Aussetzung massiv angestiegenen Vermögenskonzentration auf der einen und Armut auf der anderen Seite. Und die über Jahre nichts besseres zu tun hatten, als den Spitzensteuersatz in Deutschland massiv zu senken. Das alles ist aber offensichtlich kein journalistischer Stoff für Deutschlandfunk-”JournalistInnen”, dieses einst hochwertigen, mittlerweile, wie nicht zuletzt die Berichterstattung zur Ukraine und Griechenland zeigt, zu weiten Teilen journalistisch völlig heruntergekommen Senders.

Doch zurück zu Paraskevopoulos: Der als Wirtschaftswissenschaftler angekündigte Paraskevopoulos lieferte nicht nur keine ökonomischen Argumente, er entpuppte sich als regelrechter Kommunistenfresser. Jeder Moderator wählt sich im Deutschlandfunk vielleicht die InterviewpartnerInnen, die er sich wünscht, aber immer seltener die, die die ZuhörerInnen für ihre teuren Rundfunkgebühren auch verdienen.

Paraskevopoulos über die neue griechische Regierung:

“Diese Regierung besteht aus ehemaligen Kommunisten. Die sagen das ganz offen und deutlich, wir sind alle Marxisten. Was bedeutet das? Wenn ich jetzt die echte Kommunistische Partei Griechenlands zugrunde lege, aus welcher die meisten von denen kommen, was sagt diese Kommunistische Partei? Diese Partei sagt, Griechenland muss außerhalb Europas kommen. Das heißt, raus aus der Europäischen Union und so weiter, raus aus der Währungsunion, raus aus der NATO, und Griechenland muss irgendwie was Neues machen. Das sagen die Kommunisten.”

Prompt zieht der Deutschlandfunk diese ideologisch eingefärbte Botschaft in die Überschrift des Interviewtextes: “Syriza will raus aus der EU.” Tsipras hat dagegen immer wieder betont, dass Griechenland in der Europäischen Währungsunion (EWU) und damit natürlich auch in der EU bleiben soll. Ich habe bisher noch nicht das Gegenteil gehört. Sich, wie Paraskevopoulos, auf irgendwelche linke Flügel zu beziehen oder eine etwaige kommunistische Vergangenheit von Parteimitgliedern zu bemühen, entlarvt ihn, nicht aber die Syriza und die neue griechische Regierung. Die hat WuG zwar auch schon in einigen Beiträgen kritisch hinterfragt, aber sicherlich nicht auf eine solch primitive Art und Weise, sondern auf Basis ihrer konkreten Inhalte und ihres Auftretens auf internationalem Parkett.

Paraskevopoulos aber hebt seine Unterstellungen gar in den Rang einer Theorie (siehe Ende des folgenden Zitats):

Heuer: Das ist das Ziel des linken Syriza-Flügels? Verstehe ich Sie richtig?

Paraskevopoulos: Genau! Genau das ist das, was die Kommunisten sagen. Und bravo, die sind offen und die haben fünf, sechs Prozent der griechischen Bevölkerung auf ihrer Seite. Aber jetzt Syriza, die sind Kommunisten, oder, wie sie selber sagen, Marxisten. Die kommen aus dieser Partei und im Hinterkopf haben die auch das gleiche. Aber die sind clever. Die haben gedacht, wenn wir den Griechen das so offen sagen, wie die Kommunistische Partei das sagt, dann wählen uns die Griechen nicht.

Heuer: Sie glauben, Syrizas Ziel ist in Wahrheit raus aus dem Euro, raus aus der Europäischen Union?

Paraskevopoulos: Ja, das glaube ich, und das wollen die, und zwar die wollen das nicht wagen und sagen, wir bringen euch außerhalb, sondern die wollen emotional das griechische Volk auf ihre Seite treiben, und momentan ist es denen gelungen, um den Griechen zu sagen, guckt mal, die bösen Europäer wollen euch nicht oder wollen uns nicht, wir gehen raus. Und dann werden sie die Griechen auf ihrer Seite haben. Das ist die Strategie und das ist meine Theorie über sie.”

Bezeichnend auch dies:

Heuer: Aber die Bevölkerung in Griechenland steht hinter ihm.

Paraskevopoulos: Bitte?

Heuer: Die Bevölkerung in Griechenland steht ja hinter ihm und Syriza.

Paraskevopoulos: Ja. Emotional, habe ich gesagt, hat die griechische Bevölkerung es hingebracht, als ob die Griechen jetzt gegen ihre Freunde, gegen ihre Kreditgeber Krieg führen. Deshalb hätten die Griechen auch neue Kräfte wählen können.”

Dass die GriechInnen mehrheitlich für diese neue Regierung gestimmt haben, weil sie, ganz rational, genug davon haben, von heimischen und europäischen PolitikerInnen in die Armut getrieben zu werden, und sich von keiner Partei als Syriza in diesem Punkt besser vertreten fühlen, ist für Paraskevopoulos offensichtlich eine schwer zu akzeptierende demokratische Entscheidung. Ist es nicht vielmehr Paraskevopoulos, der hier emotional agiert bzw. agitiert. Dabei kann man durchaus seine Auffassung teilen, dass verschiedene Auftritte und Äußerungen der neuen Regierung kritisierenswert sind – aber doch nicht losgelöst vom mindestens genauso kritisierenswerten Auftreten gerade deutscher Politiker – man denke nur an Wolfgang Schäuble, aber auch an Sigmar Gabriel – und dem, was die griechische Bevölkerung seit Jahren dort durchmacht! Dem Kommunistenfresser Paraskevopoulos fehlt offensichtlich nicht nur die Analyse, sondern auch das Gespür.

Ich empfehle das Interview unbedingt vollständig zu hören (Audio – Text).

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