Langzeitarbeitslosigkeit und Agenda 2010: Bundesregierung und Grüne irren und Deutschlandfunk wird Opfer seiner eigenen Hofberichterstattung

Dafür muss man den Grünen, der Bundesregierung und dem Deutschlandfunk geradezu dankbar sein, denn sie bieten mit dem Folgenden ein Lehrstück politischer und journalistischer Oberflächlichkeit: Auf ihre Anfrage an die Bundesregierung haben die Grünen die Antwort erhalten, dass Arbeitslose immer seltener von Arbeitsagenturen gefördert werden. Das berichtet der Deutschlandfunk heute früh in seinen 6-Uhr-Nachrichten. Besonders betroffen seien Hartz-IV-Bezieher, sowie ältere und Langzeit-Arbeitslose. Während die Grünen mit dieser Antwort Opposition spielen, meint die Bundesregierung, dass dies doch völlig normal sei: “in Zeiten guter Arbeitsmarktbedingungen sei ein Rückgang der Maßnahmen keine Überraschung.” Beide lügen sich mit ihren Reaktionen kräftig in die eigene Tasche. Zwei Berichte in den Informationen am Morgen und der Moderator derselben Sendung im Deutschlandfunk drehen sich derweil zum selben Thema nicht minder kräftig im Kreis ihrer eigenen Hofberichterstattung, die, sobald man sie durchschaut, schon burleske Züge trägt.

Die Reaktion der Bundesregierung kommt dabei der Wahrheit noch am nächsten: “in Zeiten guter Arbeitsmarktbedingungen sei ein Rückgang der Maßnahmen keine Überraschung”. Jetzt müsste Andrea Nahles, aus deren Ministerium diese Stellungnahme stammt, nur noch erklären, was sie unter “guten Arbeitsmarktbedingungen” versteht. Wenn sie erklären würde: “in Zeiten guter Konjunktur ist ein Rückgang der Maßnahmen keine Überraschung” hätte sie sich selbst übertroffen. Davon ist die Sozialdemokratin und Bundesministerin für Arbeit und Soziales aber weit entfernt. Erst Ende November vergangenen Jahres erklärte sie stattdessen: “Wir haben zu lange geglaubt, allein durch die gute Konjunktur alle in Arbeit bringen zu können.” Also kann Nahles mit “guten Arbeitsmarktbedingungen” nur die Agenda 2010 meinen und die in deren Rahmen durchgesetzten “Arbeitsmarktbedingungen”, also den Abbau von Arbeitnehmerrechten, Unternehmenssteuersenkungen, Leiharbeit, Zeitarbeit und den Zwang, jede Arbeit anzunehmen (Hartz IV). Damit aber bringt sie gerade zum Ausdruck, dass sie den Arbeitsmarkt bis heute nicht versteht. WuG hat dies noch am selben Tag, als Nahles jene oben zitierte Aussage traf, ausführlich erläutert und nachgewiesen, dass nicht nur die Arbeitslosigkeit insgesamt mit der Konjunktur steht und fällt, sondern auch die Jugend- und die Langzeitarbeitslosigkeit – und zwar genauso vor wie nach der Umsetzung der Agenda 2010 (siehe dazu hier [im Abonnement]).

Indem die Grünen sich losgelöst von der Konjunktur daran stoßen, dass Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose zurückgehen, zeigen aber auch sie, dass sie bis heute nicht nur den Zusammenhang von Konjunktur und Arbeitslosigkeit ignorieren, sondern auch, dass sie – wie schon in ihrer Regierungszeit mit der SPD und der gemeinsamen Durchsetzung der Agenda 2010 – daran glauben, dass Maßnahmen am Arbeitsmakrt losgelöst von der Konjunktur Wirkung zeigen könnten. Bevor die Grünen stichhaltig in Opposition zur Bundesregierung treten können, müssen sie folglich erst einmal an sich selbst arbeiten und ihren ökonomischen und sozialen Sachverstand schärfen. Ein Abonnement von WuG wäre hierfür sicherlich die geeignete Arbeitsmaßnahme.

Und was macht der Deutschlandfunk, dieser einst so herausragend gebildete und bildende Nachrichtensender? Er beweist ein weiteres Mal seinen journalistischen Leistungsverfall, den wir nunmehr seit Jahren schon begleiten müssen, und der jedes Mal wieder betroffen macht.

Erst berichtet Moritz Küpper ohne jede eigene Reflexion über eine Rede des Altkanzlers und Machers der Agenda 2010, Gerhard Schröder, und manifestiert damit dieselbe Irrlehre wie Bundesregierung und Grüne noch über die deutschen Grenzen hinaus in Richtung Griechenland (nachzuhören hier). Wenige Minuten später folgt der Namensvetter des Altkanzlers und altgediente Deutschlandfunk-Journalist Gerhard Schröder mit einem gewohnt detaillierten, aber was den zentralen Zusammenhang anbelangt nicht minder hilflosen Bericht just zum einleitend aufgezeigten Thema: “Was tut die Bundesregierung für die Arbeitslosen?” Der Moderator Mario Dobovisek spielt in seiner Moderation die Begleitmusik dazu. Ist es zuviel verlangt, dass die JournalistInnen des Deutschlandfunks den Zusammenhang von Konjunktur und Arbeitslosigkeit eigenständig prüfen und sich so eine Grundlage schaffen, um die eigenen Aussagen und die der Politik selbständig prüfen und hinterfragen zu können? Seit Jahren ist dies nun bereits der Fall! Auch ihnen sei ein Abonnement von WuG empfohlen. Ein Institutionenabo von 100 Euro im Monat sollte durch die Rundfunkgebühren doch gedeckt sein.

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