Der Tsipras-Besuch bei Angela Merkel wird sich voraussichtlich als völlig ungeeignet erweisen, die Spannungen zwischen Griechenland und den konservativen Regierungen – zu denen ich auch die in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal rechne – zu lockern. Losgelöst von der emotional vergifteten Atmosphäre ist Griecheland auch innen- und europolitisch keinen Schritt weiter gekommen. Immer mehr stößt auf, dass Tsipras und seine Regierung wie seine konservativen Vorgänger das zentrale Problem nicht in den Mittelpunkt von bi- und multilateralen Gesprächen stellen: die Massenarbeitslosigkeit und ihre Überwindung.
Stattdessen geht es bei den beiden griechischen Protagonisten, Tsipras und Varoufakis, drunter und drüber. Eine klare Linie ist nicht zu erkennen. Die bestünde in einem Wachstums- und Beschäftigungsziel, aus dem heraus eine wirtschaftspolitische Alternative zur herrschenden Politik in Europa erarbeitet werden könnte.
Vielleicht wäre Tsipras gut beraten, schnellstmöglich einen Gesprächstermin mit der amerikanischen Notenbank-Chefin, Janet L. Yellen, zu vereinbaren. Die hat seit ihrem Amtsantritt genau dies in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt: ein Beschäftigungsziel und die hierfür notwendigen Wachstumsvoraussetzungen (siehe hierzu unsere ausführlichen Beiträge zur amerikanischen Notenbankpolitik und unsere monatliche US-Konjunktureinschätzung).
Die deutsche Position und die der konservativen europäischen Partner lassen indes nicht erkennen, dass sie geneigt sind, ihren mit Unverständis der Eurokrise gepaarten wirtschafts- und finanzpolitischen Radikalismus zu ändern, der seit dem Frühjahr 2011 die Arbeitslosigkeit in den davon betroffenen Ländern in die Höhe schießen ließ und das demokratische Fundament bereits jetzt nachhaltig erschüttert hat.
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