Als Reaktion auf die in WuG erschienenen Beiträge zu Griechenland hat Prof.
Claus Köhler, Ökonom und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur
Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Redaktion die
folgenden Informationen mit der Anmerkung zukommen lassen: “Lieber Herr
Hild, wer mich zu Griechenland ansprach, dem habe ich die beigefügten Seiten
gegeben. Herzliche Grüße, Claus Köhler.” Zusammenstellung und Analyse zeigen
eindrucksvoll auf, warum die wirtschaftliche Aktivität in Griechenland
einbrechen und derartige soziale Verwerfungen nach sich ziehen musste, wie
wir sie seitdem beobachten.
Florian Mahler
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Claus Köhler
Die Hilfen für Griechenland
Erstes Sparpaket (April 2010)
Bilaterale Kreditbürgschaften von 110 Mrd. €. Haushalt muss innerhalb von drei Jahren konsolidiert werden (Defizit unter 3 %).
Mehrwertsteuer von 19 % auf 21 % erhöht. Kürzung der Beamtengehälter. Weihnachts- und Urlaubsgeld wird um 20 % und alle Zulagen um 30 % gekürzt.
Zweites Sparpaket (Mai 2010)
Rückwirkende Senkung der Zinsen um 100 Euribor-Basispunkte aus dem ersten Paket. Kreditfälligkeit beider Pakete auf 15 Jahre erhöht. Freiwilliger Schuldenerlass über 100 Mrd. €.
Einfrieren der Beamtengehälter über 2.000 €. Reduzierung der Beamtenebenen und Stadtverwaltungen. Streichung des 13. und 14. Monatsgehalts im öffentlichen Dienst und für Rentner. Nur jede fünfte Stelle im öffentlichen Dienst soll neu besetzt werden. Erhöhung des Rentenalters von 61,3 auf 63,4 Jahre. Anhebung der Mehrwertsteuer von 21 % auf 23 %.
Drittes Sparpaket (Juni 2011)
Vermögenssteuer und Mehrwertsteuer für verschiedene Bereiche werden erhöht. Neu: „Solidaritätssteuer“. Steuerbefreiungen fallen weg. Wegfall von 150.000 Beschäftigten im öffentlichen Dient bis 2015. Verbleibende Beamte müssen länger arbeiten. Sozialleistungen werden überprüft und teilweise gekürzt. Verteidigungsausgaben um 200 Mio € (2012) und um jährlich 333 Mio € (2013 – 2015) gekürzt. Absenkung der staatlich festgesetzten Preise für Medikamente. 700 Mio € weniger für Investitionen (2011), 350 Mio € auf Dauer. Staatsbetriebe sollen privatisiert werden.
Viertes Sparpaket (Februar 2012)
Senkung des Mindestlohns auf 586 €, bei Jugendlichen auf 525 €. Kürzung von bestimmten Gehältern im öffentlichen Dienst um 20 %. Kürzung des Arbeitslosengeldes auf 322 € und der Renten um 10 bis 15 %. Erhöhung der Selbstbeteiligung bei Medikamenten und Kürzung von Medikamentenkosten staatlicher Kliniken. Einsparungen bei Überstunden von Ärzten. Kürzung der Zuschüsse an Städte und Gemeinden. Sofortige Entlassung von 15.000 und bis 2015 von 150.000 Staatsangestellten. Privatisierung von Staatsbetrieben. Einstellung 1.000 neuer Steuerkontrolleure. Kürzung der Militärausgaben um 600 Mio € bis 2015.
Fünftes Sparpaket (November 2012)
Renten ab 1.000 € um 5 bis 15 % gesenkt. Weihnachtsgeld für Rentner abgeschafft. Rentenalter von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben. Bei Staatsbediensteten Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Kürzung der Einkommen um 6 bis 20 % und 2.000 sollen frühpensioniert werden. Höhere Eigenbeiträge beim Kauf von Medikamenten. Krankenhausreform. Kein Anspruch auf Kindergeld bei Familieneinkommen von über 18.000 €.
Sechstes Sparpaket (April 2013)
Reform der öffentlichen Verwaltung. Es sollen Staatsbedienstete entlassen werden: bis Ende 2013 4.000, bis Ende 2014 15.000. Es soll eine neue Grundbesitzsteuer eingeführt werden.
Quelle: Griechische Staatsschuldenkrise – Wikipedia, 28.06.2015
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen
1. Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum
Das reale Bruttoinlandsprodukt ging in den Jahren von 2008 bis 2013 zurück Im Jahre 2014 wuchs es gerade einmal um 0,8 %. Die Maßnahmen wurden also von einer Abnahme des Lebensstandards begleitet.
2. Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit insgesamt in Griechenland stieg von 10 % auf fast 30 %. Die Jugendarbeitslosigkeit, die auch in Griechenland, wie in anderen Ländern, über dem Durchschnitt liegt, stieg von 20 % auf knapp 60 %.
Der enge Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Wahlergebnissen bestätigte sich auch hier. Angesichts der überaus hohen Arbeitslosigkeit gewann die Wahl im Januar 2015 eine radikale Partei, die SYRIZA, die Koalition der Radikalen Linken. Sie löste die sozialdemokratische PASOK ab.
3. Auswirkungen auf die Preise
Wenn das reale Bruttoinlandsprodukt von Jahr zu Jahr abnimmt und damit die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr steigt, dann ergibt sich ein starker Druck auf die Preise. Die Preissteigerungsraten gehen zurück, es kommt zu Preissenkungen und damit zu einer Deflation.
Die Maßnahmen, die man für die griechische Wirtschaft ergriffen hat, waren einseitig darauf gerichtet, dass der öffentliche Haushalt sein Defizit auf 3 % und seine Schuldenlast auf 60 % verringert. Stattdessen hätte man die öffentlichen Investitionen ausweiten müssen. Die Aufforderung an die griechische Regierung im dritten Sparpaket die Investitionen aktuell und auf Dauer zu kürzen, ist ein Kardinalfehler.
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