Anstieg des Real- und Nominallohnindex: Was ist hoch?

English Summary: The Federal Statistical Office announced today a “large increase in indices of real and nominal earnings” for the second quarter 2015. However, measured against the cost and inflation neutral margin of distribution the increase is by far not extraordinary, but has just compensated for the increase in labour productivity and the inflation target of the European Central Bank (ECB). Taking into consideration that for many years wage development in Germany fell below that measure and that this development led to an inflation rate below the inflation target of the ECB, the “large increase” in nominal wages is still not sufficient to properly help balancing competitiveness in the European Monetary Union (EMU) as well as domestic demand.

Das Statistische Bundesamt meldete heute unter der Überschrift “2. Quartal 2015: Hoher Anstieg des Real- und Nominallohnindex”: “Der Nominallohnindex in Deutschland ist nach den Ergebnissen der Vierteljährlichen Verdiensterhebung zwischen dem zweiten Quartal 2014 und dem zweiten Quartal 2015 um 3,2 % gestiegen. Im selben Zeitraum erhöhte sich der Verbraucherpreisindex um 0,5 %. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, führte dies zu einem Anstieg des Reallohnindex um 2,7 %. Dies war der höchste Zuwachs seit Beginn dieser Zeitreihe im Jahr 2008.” Dieses Ergebnis relativiert sich jedoch stark, sobald man ihm den Verteilungsspielraum gegenüberstellt, der sich aus dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Veränderung der Arbeitsproduktivität ergibt. Zugleich wird deutlich, wie weit sich der Verbraucherpreisindex vom Inflationsziel nach unten abgesetzt hat. Das Inflationsziel der EZB liegt bei “nahe, aber unter zwei Prozent”.

Legt man daher ein Inflationsziel von 1,9 Prozent zugrunde und berücksichtigt, dass die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen zwischen dem zweiten Quartal 2014 und dem zweiten Quartal 2015 um 1,2 Prozent gestiegen ist, hat die Lohnsteigerung nach dem Nominallohnindex den Verteilungsspielraum gerade einmal ausgeschöpft. Wir haben an anderer Stelle immer wieder nachgewiesen, dass dies über weite Zeiträume nicht der Fall war, und dass Deutschland darüber Vorteile im Wettbewerb mit anderen Ländern der Europäischen Währungsunion (EWU) zieht. Wie selbstverständlich geht Deutschland dennoch davon aus, dass sich nur die anderen Länder anpassen müssen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, selbst im Fall Frankreichs, das sich über den gesamten Zeitraum seit Bestehen der EWU an das Inflationsziel gehalten hat und erst in der jüngsten Zeit ebenfalls begonnen hat, Druck auf die Lohnentwicklung und damit auf die Inflation auszuüben.

So erfreulich es daher ist, dass sich die Lohnentwicklung in Deutschland zuletzt wieder normalisiert hat, so bedenklich bleibt es, dass damit die einmal gewonnenen, auf einer nicht verteilungsneutralen Lohnentwicklung basierenden preislichen Wettbewerbsvorteile noch nicht ausgeglichen werden.

Siehe hierzu auch unsere regelmäßige Analyse zur Ausschöpfung des Verteilungsspielraums, zuletzt hier und hier.


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