Medien, Hörfunkrat, Deutschlandfunk: Hätte die Zusammensetzung des Hörfunkrats vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand?

Am 25. März 2014 informierte eine Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unter der Überschrift: “Normenkontrollanträge gegen den ZDF-Staatsvertrag überwiegend erfolgreich“. Gegenstand des verkündeten Urteils war das Grundrecht der Rundfunkfreiheit. Hierzu heißt es einleitend in der Pressemitteilung: “Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verlangt für die institutionelle Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine durchgehende Orientierung am Grundsatz der Vielfaltsicherung und eine konsequente Begrenzung des Anteils staatlicher und staatsnaher Mitglieder in den Aufsichtsgremien.” Zieht man diesen Maßstab und das Urteil des BVerfG als Grundlage zur Bewertung der Zusammensetzung des Hörfunkrats heran, stellt sich die Frage, ob die derzeitige Zusammensetzung des Hörfunkrats und dessen Handeln verfassungswidrig sind.

Zu staatsnah?

So bestimmt das Urteil des BverfG:

“Entgegen der derzeitigen Rechtslage ist der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen im Fernseh- und im Verwaltungsrat auf ein Drittel zu begrenzen.” (vgl. ebenda)

Nach der Information des erfüllt der Hörfunkrat diese Bedingung nicht (1). Mindestens 16 der 38 Mitglieder des Hörfunkrats sind nach unserer Einschätzung staatliche oder staatsnahe Personen, darunter der Vorsitzende (zumindest bis Mai 2015) und der stellvertretende Vorsitzende (2).

Wer im Sinne jener Anteilsbegrenzung als staatliches und staatsnahes Mitglied zu gelten hat, definiert das BVerfG in seiner Pressemitteilung wie folgt:

“Wer im Sinne dieser Anteilsbegrenzung als staatliches und staatsnahes Mitglied zu gelten hat, bestimmt sich nach einer funktionalen Betrachtungsweise. Maßgeblich ist hierfür, ob es sich um eine Person handelt, die staatlich-politische Entscheidungsmacht innehat oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat steht und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen ist. Diese Betrachtungsweise schließt neben Regierungsmitgliedern, Abgeordneten, politischen Beamten auch Wahlbeamte in Leitungsfunktionen oder Mitglieder politischer Parteien mit herausgehobener Verantwortung ein. Demgegenüber sind Personen, die von Hochschulen, aus der Richterschaft oder aus der funktionalen Selbstverwaltung wie etwa den Industrie- und Handelskammern in die Aufsichtsgremien entsandt werden, nicht als staatliche oder staatsnahe Mitglieder in diesem Sinne anzusehen.”

Im entsprechenden “Gesetz Nr. 1319 über die Zustimmung zum Staatsvertrag über die Körperschaft des öffentlichen Rechts ´Deutschlandradio´ und zum Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrag vom 22. September 1993″ heißt es zwar:

Ҥ 21

Zusammensetzung des Hörfunkrats

(1) Der Hörfunkrat besteht aus vierzig Mitgliedern, nämlich

a) je einem Vertreter der vertragschließenden Länder, der von der zuständigen Landesregierung entsandt wird,

b) drei Vertretern des Bundes, die von der Bundesregierung entsandt werden,…”

Zum einen sieht das Gesetz aber nicht zwingend vor, dass dies staatliche und staatsnahe Personen sein müssen. So ist unseres Wissens nach beispielsweise die vom Land Brandenburg entsandte Prof. Angelika Mieth parteilos. Zum anderen sind nach der oben zitierten Information des Deutschlandfunks nicht alle Stellen des Hörfunkrats besetzt. Möglicherweise liegt der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen noch höher, als auf dieser Grundlage ermittelt.

Darüber hinaus fällt auf, dass nicht nur der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen mehr als ein Drittel der Mitglieder sind, sondern die SPD auffallend stark vertreten ist (SPD: 9 Mitglieder; CDU: 4 Mitglieder; CSU 1 Mitglied; Bündnis 90/Die Grünen: 2 Mitglieder), während Die Linke mit keinem Mitglied vertreten ist. Letzteres ist auch insofern von Belang, als wir im Rahmen unserer Medienanalyse seit Jahren feststellen, dass der Deutschlandfunk mit Politikern der Linken auffallend selten Interviews führt (siehe zuletzt hier). Hierzu hält das Urteil des BVerfG fest: “Angesichts des übergreifenden Ziels der Vielfaltsicherung ist auch innerhalb der staatlichen Mitglieder auf die Berücksichtigung möglichst vielfältiger Perspektiven Bedacht zu nehmen.” (vgl. hier).

Weiter heißt es ebenda:

“Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss zugleich dem Gebot der Staatsferne genügen, das das Gebot der Vielfaltsicherung konkretisiert. Danach hat der Staat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar zu organisieren und dessen Auftrag durch eigene Anstalten zu erfüllen, muss dabei aber Sorge tragen, dass die Gestaltung des Programms und dessen konkrete Inhalte nicht in die allgemeine staatliche Aufgabenwahrnehmung eingebunden werden. Die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind daher so auszuformen, dass eine Beeinflussung der Berichterstattung durch staatliche und staatsnahe politische Akteure zur Durchsetzung eigener Interessen oder bestimmter, insbesondere parteipolitischer Agenden wirksam verhindert wird. Schon die Zusammensetzung der Gremien muss die Möglichkeit einer derartigen Instrumentalisierung wirksam ausschließen.”

Diese Vorgabe erscheint mir in der derzeitigen Zusammensetzung des Hörfunkrats allenfalls nur bedingt gegeben. Beim Deutschlandfunk kommt erschwerend hinzu, dass der Intendant des Deutschlandfunks nach Medienangaben ein “bekennender CDU-Mann mit Parteibuch war und ist” (vgl. hier und im Original hier).

Vor dem Hintergrund des nachstehenden Zitats aus der Pressemitteilung des BVerfG wäre nicht nur die Zusammensetzung des Hörfunkrats, sondern auch die des Programmausschusses zu hinterfragen (kursive Hervorhebung, T.H.):

“Der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Nur wenn die Aufsichtsgremien eine breite Vielfalt der Strömungen des Gemeinwesens widerspiegeln und ein bestimmender Einfluss staatlicher und staatsnaher Mitglieder wirksam ausgeschlossen ist, genügt ihre Ausgestaltung den Anforderungen der Vielfaltsicherung und dem Gebot der Staatsferne. Dabei ist auch die Prägekraft staatlicher und dabei insbesondere parteipolitisch gegliederter Kommunikationsstrukturen zu berücksichtigen, wie sie zurzeit in den ´Freundeskreisen´ zum Ausdruck kommt. Damit die staatlichen und staatsnahen Mitglieder über derartige informelle Gremien, deren Arbeit als solche unmittelbar kaum geregelt werden kann, auch tatsächlich keinen übermäßigen Einfluss erhalten, ist ihr Anteil konsequent zu begrenzen. Hinreichend ausgeschlossen ist ein bestimmender Einfluss nur dann, wenn jedem staatlichen und staatsnahen Mitglied mindestens zwei staatsferne Mitglieder gegenüberstehen, das heißt ihr Anteil ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigt. Soweit sich diese Gremien zur Vorbereitung der Arbeit in Ausschüsse gliedern, kann für deren Zusammensetzung nichts anderes gelten.

Nicht transparent genug?

Im Urteil des BVerG heißt es auch:

“Der Gesetzgeber hat Regelungen zu schaffen, die für die Arbeit der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten. Welches Maß an Transparenz für eine funktionsgerechte Aufgabenwahrnehmung sachgerecht ist, zeichnet die Verfassung nicht im Einzelnen vor. Zum erforderlichen Mindestmaß gehört es jedoch, dass die Zusammensetzung der Gremien und Ausschüsse sowie die anstehenden Tagesordnungen ohne weiteres in Erfahrung gebracht werden können und dass zumindest dem Grundsatz nach die Sitzungsprotokolle zeitnah zugänglich sind oder die Öffentlichkeit über Gegenstand und Ergebnisse der Beratungen auf anderem Weg in substantieller Weise unterrichtet wird.”

Der Umgang des Hörfunkrats mit unserer Programmbeschwerde (siehe hier), sein Antwortschreiben zur Entscheidung (siehe hier) und die zusammenfassende, in keinster Weise substantiell ausfallende Berichterstattung über die Sitzungen des Hörfunkrats (Sitzungsprotokolle werden nicht veröffentlicht und wurden auch im Fall unserer Programmbeschwerde verweigert; siehe zum Beispiel auch und erläuternd hier), dürften den Vorgaben des BVerfG kaum gerecht werden.

(1)

Vorsitzender:

Frank Schildt, Land Bremen

stellv. Vorsitzender:

N.N.

•Burkhard Blienert, Bundesregierung

•Herta Daniel, Bund der Vertriebenen Landesverband Bayern

•Dr. Martina Daniel, Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein

•Knut Deutscher, Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern des Landes Brandenburg

•Michael Deutscher, Landesverband der Freien Berufe Mecklenburg-Vorpommern

•Hella Dunger-Löper, Land Berlin

•Falko Grube, Land Sachsen-Anhalt

•Katrin Hatzinger, Evangelische Kirche Deutschland

•Rainer Kleibs, DRK Landesverband Sachsen-Anhalt

•Helga Knich-Walter, Land Saarland

•Dr. Michael Körner, Land Mecklenburg-Vorpommern

•Doris Krönig, Landessportbund Berlin

•Eva Kühne-Hörmann, Land Hessen

•Abraham Lehrer, Zentralrat der Juden in Deutschland

•Sylvia Löhrmann, Land Nordrhein-Westfalen

•Dr. Jan-Marco Luczak, Bundesregierung

•Yvonne Magwas, Bundesregierung

•Dr. Matthias Meyer, Deutsche Bischofskonferenz

•Gerd Meyer-Rockstedt, Sozialverband Deutschland Landesverband Bremen

•Prof. Angelika Mieth, Land Brandenburg

•Sabine Nehls, Deutscher Gewerkschaftsbund

•Franz Josef Pschierer, Land Bayern

•Werner Räpple, Arbeitsgemeinschaft der Badisch-Württembergischen Bauernverbände

•Uwe Reitz, DJV Landesverband Rheinland-Pfalz

•Prof. Dr. Franz Riemer, Landesmusikrat Niedersachsen

•Axel Schmidt, ver.di Landesverband Hamburg

•Werner Schmidt, Deutscher Mieterbund Landesverband Hessen

•Renate Schnack, Land Schleswig-Holstein

•Walter Schumacher, Land Rheinland-Pfalz

•Jörg Swane, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

•Stephan Thiemann, Landesjugendring Nordrhein-Westfalen

•Thekla Walker, Land Baden-Württemberg

•Amei Wiegel, Land Niedersachsen

•Simone Wienhold-Engelhardt, Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern

•Marion Wolf, Land Thüringen

•Jürgen Zimper, Verbraucherzentrale des Saarlandes

•N.N., Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV) Landesverband Sachsen

•N.N., Land Hamburg

(2)

Zwar steht bei stellvertretender Vorsitzender ein N.N. Stellvertretender Vorsitzender ist jedoch Rolf Clemen, CDU, wie er auch selbst auf seiner Internetseite angibt: “Sonstiges: Stellvertretender Vorsitzender des Hörfunkrats von Deutschlandradio, Mitglied im Wirtschafts- und Finanzausschuss von Deutschlandradio”.

Die anderen Personen sind unseres Wissens nach:

Frank Schildt, Land Bremen, SPD

Burkhard Blienert, Bundesregierung, SPD

Hella Dunger-Löper, Land Berlin, SPD

Falko Grube, Land Sachsen-Anhalt, SPD

Dr. Michael Körner, Land Mecklenburg-Vorpommern, SPD

Eva Kühne-Hörmann, Land Hessen, CDU

Sylvia Löhrmann, Land Nordrhein-Westfalen, Bündnis 90/Die Grünen

Dr. Jan-Marco Luczak, Bundesregierung, CDU

Yvonne Magwas, Bundesregierung, CDU

Franz Josef Pschierer, Land Bayern, CSU

Renate Schnack, Land Schleswig-Holstein, SPD

Walter Schumacher, Land Rheinland-Pfalz, SPD

Thekla Walker, Land Baden-Württemberg, Bündnis 90/Die Grünen

Amei Wiegel, Land Niedersachsen, SPD

Marion Wolf, Land Thüringen, SPD


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