Sehr geehrter Herr Schildt,
ist die Zusammensetzung des Hörfunkrats angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag vom 25. März 2014 auch aus Ihrer Sicht kritisch zu bewerten (siehe hierzu auch den Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung vom 26. Oktober 2015)?
So sind nach meinen Informationen, die auf der vom Deutschlandfunk veröffentlichten Zusammensetzung des Hörfunkrats basieren (), mehr als ein Drittel der Mitglieder des Hörfunkrats staatliche oder staatsnahe Personen, darunter, zumindest bis Mai 2015, auch Sie als Vorsitzender des Hörfunkrats und, laut seiner Internetseite immer noch der stellvertretende Vorsitzende, Robert Clemen. Sie bis Mai 2014 als SPD-Mitglied der Bremer Bürgerschaft, dort auch im SPD-Fraktionsvorstand und medienpolitischer Sprecher der SPD (Quelle: wikipedia); Robert Clemen in – was die Staatsnähe anbelangt – vergleichbaren Funktionen für die CDU.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu im Urteil zum ZDF-Staatsvertrag festgehalten:
“Entgegen der derzeitigen Rechtslage ist der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen im Fernseh- und im Verwaltungsrat auf ein Drittel zu begrenzen.”
Sollte das Ihrer Ansicht nach auch für den Hörfunkrat gelten? Wenn nicht, warum sollen für den Hörfunkrat Ihrer Ansicht nach andere Maßstäbe gelten?
Der Verfassungsrichter Paulus, der zu dem genannten Urteil eine abweichende Meinung vertritt, geht noch weiter, wenn er schreibt:
“Dem Urteil kann ich nicht zustimmen, soweit es im staatsfreien oder auch nur ´staatsfernen´ Zweiten Deutschen Fernsehen die Mitwirkung von Mitgliedern der Exekutive in den Aufsichtsgremien für verfassungsrechtlich zulässig erklärt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen dient nicht der Verbreitung staatlicher Informationen, sondern dem Ausdruck der Vielfalt von Meinungen und der gesellschaftlichen Breite des Sendeangebots. Diesen Grundansatz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halte ich in Einklang mit dem Urteil auch weiterhin für richtig. Das Urteil setzt seinen eigenen Ansatz aber nur zum Teil um, obwohl sich seit dem ersten Fernsehurteil herausgestellt hat, dass die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des Zweiten Deutschen Fernsehens dem Grundsatz der Staatsferne nicht gerecht wird. Die Gremien – und mit ihnen die Anstalten – passen sich der Politik an, nicht die Politik den Aufgaben der Gremien…
Meiner Auffassung nach reicht eine Drittelquote, welche staatliche und ´staatsnahe´ Vertreter umfasst, für die Gewährleistung der Vielfalt im Zweiten Deutschen Fernsehen nicht aus. Vielmehr halte ich eine weitgehende Freiheit der Aufsichtsgremien von Vertretern des Staates für erforderlich, um – nach dem Beispiel der meisten Länderanstalten – die Kontrollorgane des Zweiten Deutschen Fernsehens von staatlichem Einfluss zu emanzipieren. Bei ihnen ist die Gefahr einer politischen Instrumentalisierung höher als bei Mitgliedern von Parlamenten und Parteien, die von der Verfassung als Volksvertreter und Vermittler zwischen dem Staat und den Bürgern vorgesehen sind.”
Die zu staatsnahe Zusammensetzung des Hörfunkrats – und wohl auch des Programmausschusses – ist jedoch nur ein Kritikpunkt, den das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag nahelegt. Ein anderer Kritikpunkt ergibt sich aus der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts geforderten Transparenz. Hierzu heißt es in dem Urteil:
“Der Gesetzgeber hat Regelungen zu schaffen, die für die Arbeit der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten. Welches Maß an Transparenz für eine funktionsgerechte Aufgabenwahrnehmung sachgerecht ist, zeichnet die Verfassung nicht im Einzelnen vor. Zum erforderlichen Mindestmaß gehört es jedoch, dass die Zusammensetzung der Gremien und Ausschüsse sowie die anstehenden Tagesordnungen ohne weiteres in Erfahrung gebracht werden können und dass zumindest dem Grundsatz nach die Sitzungsprotokolle zeitnah zugänglich sind oder die Öffentlichkeit über Gegenstand und Ergebnisse der Beratungen auf anderem Weg in substantieller Weise unterrichtet wird.”
Weder der Hörfunkrat, noch der Programmausschuss, veröffentlichen Sitzungsprotokolle und stellen diese – wie im Fall meiner Programmbeschwerde – auch nicht auf Nachfrage zur Verfügung. Die zusammenfassende Berichterstattung auf den Internetseiten des Deutschlandfunks wiederum ist in keiner Weise substantiell, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert.
Sehen Sie schließlich nicht allein darin ein Problem in der Zusammensetzung des Hörfunkrats, dass zwar Politiker von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Hörfunkrat vertreten sind, jedoch kein Politiker der Partei Die Linke? Hierzu hält das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag fest:
“Angesichts des übergreifenden Ziels der Vielfaltsicherung ist auch innerhalb der staatlichen Mitglieder auf die Berücksichtigung möglichst vielfältiger Perspektiven Bedacht zu nehmen.”
Wie verhalten Sie sich als Vorsitzender des Hörfunkrats zu dieser Kritik, und müsste Ihrer Ansicht nach, wie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag festgelegt, auch für den Hörfunkrat eine entsprechende verfassungsgemäße Neuregelung getroffen werden?
In Erwartung einer Antwort von Ihnen verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Florian Mahler
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