Der Schock muss tief gesessen haben, dass Le Pen und ihr Front National beim ersten Durchgang der Regionalwahlen durchmaschiert sind (siehe dazu auch hier). So tief, dass sich viele Wahlberechtigte, die den Wahlurnen am vergangenen Wochenende fern geblieben waren, jetzt, beim zweiten Durchgang, aufrafften, ihre Stimme abzugeben. Man kann dies durchaus als Protestwahl gegen Le Pen interpretieren – und nicht, wie jetzt vielleicht Konservative und Sozialisten glauben, als Zustimmung für die etablierten Parteien. Letztere hatten sich nach der verheerenden Niederlage vom letzten Wochenende hektisch zusammengerauft und eine so genannte republikanische Front gebildet, die im wesentlichen aus dem Rückzug sozialistischer Kandidaten zugunsten konservativer, begleitet durch Wahlaufrufe für letztere durch die Sozialisten bestand. “Republikanische Verteidigungslinie” wäre dann wohl auch die ehrlichere Bezeichnung für dieses merkwürdige Verfahren gewesen. Das französische Wahlsystem macht´s möglich. Nicht möglich macht das französische Wahlsystem jedoch, Le Pen ihre Erfolgsgrundlage zu nehmen. Das können die etablierten Parteien nur leisten, indem sie ihre Politik ändern.
Die Erfolgsgrundlage Le Pens ist die Massenarbeitslosigkeit und die damit verbundene, berechtigte Angst vor dem sozialen Abstieg. Viel zu viele haben letzteren bereits hinter sich. Dagegen haben weder die Regierung von Hollande bisher etwas aufzubieten, noch ihre konservativen Vorgänger. Im Gegenteil, sie haben die Erfolgsgrundlage Le Pens mit geschaffen. Die Zahl der Arbeitslosen ist bis zuletzt gestiegen und befindet sich auf einem historischen Höchststand (siehe hierzu auch unsere monatliche Konjunktureinschätzung zu Frankreich, zuletzt hier). Die Regierung beschönigt und zwingt die Menschen zu Verzicht, was noch immer zu weiterer sozialer Ausgrenzung geführt und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung belastet hat. Bei dieser innenpolitischen Orientierung ist es nicht verwunderlich, dass die französische Regierung auch nicht auf europäischer Ebene zum Gestalter einer wachstums- und beschäftigungsorientierten Politik wird. Das müsste sie aber, um Le Pen ihre Erfolgsgrundlage zu nehmen. Allein der politische Selbsterhalt sollte die etablierten Parteien daher dazu bewegen, ihre Politik entsprechend zu ändern; ginge es ihnen um die Menschen, hätten sie es längst getan.
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