Das Statistische Bundesamt hat heute bekannt gegeben, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um 1,7 Prozent (kalenderbereinigt um 1,5%) gegenüber Vorjahr gewachsen ist. Wichtig für unsere gewohnten Berechnungen auf Basis des Jahresergebnisses – notwendiges Wirtschaftswachstum, angemessenes Wirtschaftswachstum, Ausschöpfung des Verteilungsspielraums (siehe zuletzt hier): Detaillierte und überarbeitete Ergebnisse folgen erst am 23. Februar 2016. Ungeachtet dessen sticht insbesondere ein Ergebnis hervor, das international, vor allem aber auf der Ebene der Europäischen Währungsunion (EWU), für Aufsehen sorgen sollte.
Zwar hält das Statistische Bundesamt in seiner Pressemitteilung zum BIP fest:
“Auf der Verwendungsseite des Bruttoinlandsprodukts war der Konsum im Jahr 2015 wichtigster Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft: Die privaten Konsumausgaben waren preisbereinigt um 1,9 %, die Konsumausgaben des Staates sogar um 2,8 % höher als im Jahr zuvor. Auch die Investitionen legten zu: Im Inland investierten Unternehmen und Staat zusammen 3,6 % mehr in Ausrüstungen – das sind vor allem Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge – als ein Jahr zuvor. Die preisbereinigten Bauinvestitionen erzielten ebenfalls ein leichtes Plus von 0,2 %. Der deutsche Außenhandel gewann im Jahr 2015 weiter an Dynamik: Die preisbereinigten Exporte von Waren und Dienstleistungen waren um 5,4 % höher als im Vorjahr. Die Importe legten in ähnlicher Größenordnung zu (+ 5,7 %), sodass der resultierende Außenbeitrag, also die Differenz zwischen Exporten und Importen, einen vergleichsweise geringen Beitrag zum BIP-Wachstum leistete (+ 0,2 Prozentpunkte).”
Darüber wird jedoch nicht deutlich, dass der Außenbeitrag gegenüber Vorjahr weiter kräftig gestiegen ist (+40,6 Mrd. Euro bzw. +20,7%; zum Vergleich, 2014: +27 Mrd. Euro bzw. +15,9%). Eine international so kritische Größe wie den hohen deutschen Außenbeitrag so herunterzuspielen, wird der Sache nicht gerecht. Immerhin ist im Begleitmaterial zur Pressekonferenz diese Graphik abgelichtet. Der deutsche Außenbeitrag betrug demnach im Jahr 2015 sagenhafte 7,8 Prozent.
Unter Hinzunahme der gleichen Graphik aus dem Jahr zuvor wird sichtbar, dass der deutsche Außenbeitrag in 2015, ausgehend von einem bereits sehr hohen Niveau in 2014, weiter deutlich, von 6,5 (aktuell revidiert 6,7%) auf 7,8 Prozent gestiegen ist. Damit liegt der Außenbeitrag weit über dem zulässigen Wert für den Leistungsbilanzüberschuss, den die EU-Kommission mit höchstens sechs Prozent festgelegt hat. Es steht auch zu erwarten, dass die einer gegenüber dem Außenbeitrag erweiterten Abgrenzung folgende Leistungsbilanz 2015 einen deutlich über dem zulässigen Wert liegenden Anteil ergibt.
Die oben aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts zitierte Aussage täuscht ebenfalls darüber hinweg, dass die Zuwachsrate der Bruttoanlageinvestitionen insgesamt preisbereinigt von 3,5 Prozent in 2014 auf 1,7 Prozent in 2015 gesunken ist. Auch die Zuwachsrate der Ausrüstungsinvestitionen, die das Statistische Bundesamt oben hervorhebt, lag mit 4,5 Prozent in 2014 noch deutlich höher als die 3,6 Prozent in 2015. Der Staat hat preisbereinigt sogar deinvestiert (Bruttoanlageinvestitionen des Staates insgesamt -2,1%; Ausrüstungsinvestitionen des Staates: -7,6%).
Olli Rehn stellte als der für Wirtschaft, Währung und den Euro zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission zu beiden Komplexen bereits im März 2014 treffend fest: “” Er irrte allerdings offensichtlich hierin: “Das niedrige Investitionsniveau wird auch in Deutschland zunehmend als Problem erkannt.”
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