Lars Feld: Wirtschaftsweiser ohne Bezug zur Realität

Unisono berichten die einschlägigen deutschen Medien über ein Interview, das der Wirtschaftsweise Lars Feld der Nachrichtenagentur dpa gegeben hat (siehe zum Beispiel hier, hier und hier). Demnach meint der Ökonomie-Professor doch tatsächlich: “In der Debatte um Armutsrisiko und Abstiegsgefahr gehe die Schere zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und der tatsächlichen Situation immer weiter auseinander.” Weiter ist von Feld ebenda zu lesen: “Deutschland geht es gesamtwirtschaftlich so gut wie nie´, sagte Feld. Es gebe ein gutes und kontinuierliches Wirtschaftswachstum sowie eine deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit.” Nicht erst der heute von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Monatsbericht spricht indes eine ganz andere Sprache.

Ihm ist zu entnehmen, dass die Arbeitslosenquote – die Zahl der Arbeitslosen gemessen an der Zahl aller zivilen Erwerbspersonen – in den vergangenen Jahren kaum gesunken ist. 2012 betrug die Arbeitslosenquote 6,8 Prozent, 2013 6,9 Prozent, 2014 6,7 Prozent und 2015 6,4 Prozent. Im zuletzt ausgewiesenen Monat Dezember 2015 betrug die Arbeitslosenquote 6,1 Prozent. Im Dezember 2014 hatte die Arbeitslosenquote 6,4 Prozent betragen. Von einer “deutlich gesunkenen Arbeitslosigkeit” kann selbst bei der wohlwollendsten Interpretation dieser Zahlen nicht die Rede sein. Die Arbeitslosigkeit liegt zudem weit über dem Wert, den auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), dem Feld angehört, als Vollbeschäftigung definiert. Vollbeschäftigung sieht der SVR bei einer Arbeitslosenquote von vier Prozent als gegeben; das ehemalige Mitglied des Sachverständigenrats, Claus Köhler, sieht Vollbeschäftigung bei drei Prozent als gegeben. Anders als Lars Feld und dem SVR insgesamt bereitet Claus Köhler die Arbeitslosigkeit in Deutschland und Europa große Sorge.

Ob ein Wirtschaftswachstum “gut” ist, bemisst sich mit Blick auf den Arbeitsmarkt vor allem daran, inwiefern es dazu geeignet ist, die hohe Arbeitslosigkeit zu senken. Mit dem in Deutschland verzeichneten Wirtschaftswachstum ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken.

Unberücksichtigt bleiben bei diesen Zahlen die vielen Millionen Niedriglöhner und Unterbeschäftigten, aber auch die unterschiedliche Entwicklung und Situation in Ost- und Westdeutschland (siehe hierzu unsere erst im Dezember erschienene, ausführliche Analyse und unsere in kürze erscheinende monatliche Konjunktureinschätzung für Deutschland).

“Die Ängste werden umso größer, je besser es den Leuten geht”, wird Feld weiter zitiert, und er meint: “Das klafft massiv auseinander.” Vor allem in der deutschen Mittelschicht gebe es die Angst des Abstiegs: “Doch gerade dieser Schicht geht es besser denn je”, so Feld. Sie profitiere besonders von größerer Sicherheit und steigenden Einkommen.

Im Gegensatz zu Felds nicht weiter belegten Behauptungen, sind die von ihm infrage gestellten Ängste jedoch real – und begründet. Die riesige Lücke, die zwischen Arbeitsangebot (Zahl der Arbeitslosen) und Arbeitsnachfrage (offene Stellen) klafft, ist allein schon Grund zur Sorge. Im Dezember 2015 lag die Zahl der Arbeitslosen bei 2.681.415. Die Zahl der gemeldeten Stellen aber lag nur bei 590.913. Nur in sehr wenigen Berufsgruppen gibt es tatsächlich einen Fachkräftemangel, man kann sie an einer Hand abzählen. In der Mehrzahl der Berufsgruppen gibt es einen gravierenden Fachkräfteüberschuss. Feld aber meint diese seit Jahren zu beobachtende Situation einfach ignorieren zu können – und die einschlägigen Medien dienen ihm dafür auch noch als willfähriges Sprachrohr.

Feld ist kein Wirtschaftsweiser, er ist ein Wirtschaftsignorant, der jeden Bezug zu den Sorgen und Nöten der Menschen verloren hat, weil er nicht Willens oder nicht fähig ist, Wirtschaft und Gesellschaft angemessen zu analysieren.


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