Der Landtagswahlkampf bringt es nun auch für diejenigen ans Licht, die sich bisher nicht mit der Einflussnahme der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt haben. Der Einfluss der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Medien ist nunmehr zu einem Wahlkampfthema geworden. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz darf die Alternative für Deutschland (AfD) nicht an den Fernseh-Diskussionsrunden vor den Landtagswahlen teilnehmen. Betroffen sind aber auch die FDP und DIE LINKE. Dafür haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen gesorgt, die damit gedroht hatten, bei Teilnahme der AfD nicht teilzunehmen (siehe hierzu einen aussagekräftigen Bericht in der Augsburger Allgemeinen). Wahrscheinlich gaben sich dieselben Politiker zuletzt betroffen über die jüngste Politik in Polen, die per Verfassungsänderung direkten Einfluss auf die Medien zu nehmen versucht. In Deutschland braucht man hierfür nicht einmal die Verfassung zu ändern – es sei denn, das Bundesverfassungsgericht spricht einmal ein Machtwort, wie zuletzt beim ZDF (siehe dazu hier und hier). Man muss jedoch nicht bis nach Polen blicken, um die Blindheit der Regierenden und das Messen mit zweierlei Maß zu erkennen. Ohne diese Blindheit würde es Parteien wie die AfD und Bewegungen wie PEGIDA gar nicht geben.
Die etablierten Parteien gebärden sich nicht erst mit ihrer jüngsten politischen Willkür im Landtagswahlkampf wie einst nur Kaiser, Könige und heute noch Diktatoren. Zuerst haben sie sich per Gesetz von gesellschaftlicher Verantwortung frei gesprochen, indem sie diese an den einzelnen Bürger delegiert haben. Das ist mehr als zehn Jahre her (Agenda 2010, Hartz IV, Zerstörung des gesetzlichen Rentensystems zugunsten so genannter privater Vorsorge, auch in der gesetzlichen Krankenversicherung wird zunehmend der Einzelne zur Kasse gebeten, Vermögende und sehr gut Verdienende werden entlastet, “der kleine Mann” entsprechend stärker belastet und den Schikanen von Sanktionen in einem erodierten Sozialversicherungssystem ausgesetzt).
Zynischerweise wurde uns das als “Freiheit” verkauft. In Wahrheit ist es aber eine Frechheit. Vor allem aber war und ist es unverantwortlich, weil es Millionen an den Rand der Gesellschaft katapultiert hat, und weil es den Menschen, die davon noch nicht betroffen sind, Angst macht, auch dort zu landen. Menschen, die der Vize-Kanzler und SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, der zugleich auch Bundesminister für Wirtschaft und Energie ist und jenes Katapult kräftig mit gespannt hat, heute gern als “Pack” und als “Arschlöcher” bezeichnet (siehe hierzu hier und den herausragenden Kommentar von Stefan Berg hier). Immer mehr dieser Menschen haben sich in den vergangenen Jahren von der Politik abgewendet. Jetzt wenden sie sich ihr wieder zu, nicht aber den Parteien, die sie bis heute enttäuschen, sondern den Parteien und Bewegungen, die diese Parteien bekämpfen und dafür nicht davor zurückschrecken, die Ängste der Menschen zu instrumentalisieren, gegen Menschen, deren Not noch größer ist, wie die Flüchtlings-Debatte zeigt.
Anstatt sich aber ihrer politischen Verantwortung zu stellen, halten SPD und Grüne nun die Gewächse, die sie selbst herangezüchtet haben, draußen. Genauer: sie versuchen es, wie jetzt im Landtagswahlkampf, indem sie die vierte Gewalt, die Presse, erpressen. Dass dies funktioniert, zeigt wiederum, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine vierte, unabhängige Gewalt ist, der die Exekutive, Legislative und Judikative kontrolliert, indem er sie hinterfragt, kritisiert, korrigiert und ihnen notfalls auch die Stirn bietet. Er ist vielmehr ein Büttel der etablierten politischen Parteien. Das gilt beileibe nicht nur für den SWR, sondern, wie wir seit langem feststellen, auch für den Deutschlandfunk und, zumindest bis vor kurzem, auch für das ZDF, bei dem das Bundesverfassungsgericht nun der politischen Einflussnahme einen Riegel vorgeschoben hat – ohne die politische Einflussnahme vollständig zu verbieten (siehe dazu zusammenfassend hier und hier).
Damit ist die unrühmliche Rolle, die die Leitmedien – öffentlich-rechtlich und privat – einnehmen, jedoch nicht vollständig erfasst: Sie haben die oben skizzierte Politik mit herbei geschrieben und tun es noch. Sie schreiben von einem “boomenden Arbeitsmarkt” und unterschlagen das dramatische Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot (Zahl der Arbeitslosen) und Arbeitsnachfrage (Zahl der offenen Stellen) wie auch den Niedriglohnsektor und die Unterbeschäftigung (siehe dazu zuletzt hier und hier). Auch das stößt vielen Millionen Menschen in Deutschland vor den Kopf, die hunderte Bewerbungen schreiben, ohne einen Job zu erhalten oder um ihren Job bangen müssen, ohne eine Alternative zu haben. Und das seit vielen Jahren.
Das Zeitalter, in dem wir seit der Agenda 2010 leben, wird vielleicht einmal als das der ständigen Überforderung des Einzelnen in die Geschichte eingehen. Der Einzelne ist dabei nicht überfordert, weil er sich dumm anstellt, weil er faul ist oder schlichtweg nicht will, sondern weil ihm Rahmenbedingungen und Aufgaben zugemutet werden, die ihn unfrei machen, die ihn zwingen, in permanenter Unsicherheit zu leben, die ihm Angst vor der Zukunft machen. Es ist nur menschlich, allzu menschlich, wenn dabei mehr und mehr Menschen die Nerven verlieren und beginnen, um sich zu treten.
Dem muss natürlich Einhalt geboten werden. Dafür aber müssten die politisch Verantwortlichen in sich gehen und die Zeichen der Zeit erkennen. Die Erpressung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch SPD und Grüne im aktuellen Landtagswahlkampf zeigt ein weiteres Mal unmissverständlich auf, dass die Herrschenden dazu nicht in der Lage sind. Sie sind damit die allererste Gefahr für unsere Demokratie.
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