Der folgende Dialog verdient Aufmerksamkeit, weil er von grundsätzlicher Bedeutung für die Unabhängigkeit und die Qualität des Journalismus ist. Der Handelsblatt-Journalist Franz Hubik teilte mir heute früh auf dem Kurznachrichtendienst twitter mit, dass ich ihm “doch bitte den ganzen Beitrag” über die gestern im Abonnement veröffentlichte Analyse zum Protektionismus in der Stahlindustrie schicken solle. So könne er “nicht einmal erahnen, warum Strafzölle ´völlig ungerechtfertigt´ sein sollen”. Ich hatte zuvor, nach Veröffentlichung der Analyse bei twitter geschaut, wer denn alles zum Thema in den vergangenen Tagen veröffentlicht und kommentiert hat. Dabei war ich auch auf einen tweet von Hubik gestoßen, der auf einen Artikel von sich zum Thema aufmerksam machte. Der Artikel entspricht dem allgemeinen Tenor in den Medien, den meine Analyse einleitend kritisch aufgreift. Daher antwortete ich auf den tweet Hubiks und machte auf meine Analyse aufmerksam. Als ich ihm nun auf seine Bitte hin, ihm “doch bitte den ganzen Beitrag” zu schicken, antwortete, dass der Beitrag “vollständig nur im Abonnement” erscheine, antwortete Hubik: “dann eben nicht. Sorry”. Ich antwortete ihm daraufhin: “Kein Problem. Guter Journalismus muss halt bezahlt werden.” Worauf er mir antwortete: “eh, aber dann sollte man ihn zumindest erahnen können” und spielte dabei wohl auf den frei lesbaren, einleitenden Teil der Analyse, den so genannten Teaser an. Ich schrieb zurück: “Nein, gerade nicht. Sie belegen es ja. Das @handelsblatt könnte Sie auch nicht bezahlen, hätte es nicht Abonnenten und ´Premium´.” Worauf Hubik eine sehr merkwürdige Erwartung an den Teaser äußerte, den er an die Zeitung, für die er arbeitet und von der er bezahlt wird, wohl noch nicht gerichtet hat, was für ihn gut ist, denn sonst könnte ihn das Handelsblatt vielleicht nicht länger bezahlen:
“Hab nix gegen Bezahlinhalte. Im Gegenteil. Aber nach Lektüre des Teasers weiß ich nicht, wofür ich zahlen soll. Lassen wir´s.”
Ich schrieb ihm daraufhin noch, dass man dem Teaser sehr wohl entnehmen könne, was einen erwartet: “eine umfassende Analyse auf Basis des Außenhandels”.
Verrät nun ein Teaser eines Premium-Artikels in der Online-Ausgabe des Handelsblatt mehr? Ganz gewiss nicht (siehe zum Beispiel zum selben Thema hier).
Hubik brennt nach eigenen Angaben “vor aufklärerischem Ehrgeiz”. Wenn das stimmt, werden wir ja sicherlich bald von ihm im Handelsblatt lesen, wie er das, worüber er bisher nur berichtet hat – unter einseitiger Bezugnahme auf Aussagen seitens der Stahlindustrie und Stahllobby -, dann auch hinterfragt. Das ist viel Arbeit. Aber dafür wird er ja sicherlich vom Handelsblatt gut bezahlt. Und die Premium-Leser des Handelsblatt würden eben das doch, so vermute ich zumindest, gern für ihr Geld zu lesen bekommen. Wenn es denn soweit kommen sollte, wird der Beitrag sicherlich hinter der Bezahlschranke “Premium” erscheinen.
Ich hatte vor einiger Zeit einen ähnlich gelagerten Fall, dieses Mal eine Anfrage eines Journalisten, der beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt ist. Wieder ging es um eine umfangreiche Analyse, die ich in WuG im Abonnement publiziert hatte. Da habe ich noch gutwillig die angefragte Analyse herausgegeben, auch in der Erwartung, in der Berichterstattung entsprechend erwähnt zu werden. Ich würde und werde es nicht wieder tun.
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