Wir hatten erst gestern das Statistische Bundesamt gefragt, wie es “positive Konsumneigung” definiert, weil es diese, neben “der geringen Zunahme der Verbraucherpreise” als “wesentlichen Grund” für den stärksten Zuwachs der preisbereinigten privaten Konsumausgaben seit dem Jahr 2000 angeführt hatte, ohne zu erklären, was es unter Konsumneigung versteht (siehe dazu kritisch hier). Heute hat das Statistische Bundesamt bereits geantwortet. Hier zunächst die Antwort des Statistischen Bundesamts im Wortlaut:
“Sehr geehrter Herr Hild,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Konsumneigung.
Mit dem Begriff der ´positiven Konsumneigung´ wurde in unserer
Pressemitteilung allgemein die sehr positive Zunahme der Konsumausgaben der
privaten Haushalte beschrieben. Nicht gemeint haben wir dabei den Begriff
´Konsumquote´, der durch den Anteil der Konsumausgaben am verfügbaren
Einkommen (einschl. Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche) definiert
ist (analog zum Begriff ´Sparquote´). Die Konsumquote ist im Jahr 2015 im
Vergleich zu 2014 leicht gesunken.
Mit freundlichen Grüßen”
Zum einen bestätigt das Statistische Bundesamt im letzten Satz unser Ergebnis zur Spar- bzw. Konsumquote und damit auch, dass Heiner Flassbeck falsch liegt, wenn er behauptet, sie sei “unverändert geblieben”. Anstatt mit Vorwürfen und Unterstellungen gegen das Statistische Bundesamt zu wettern (Flassbeck: “glatte Fehlinformation”, “tolldreiste Entgleisung”, “Lüge”), hätte er, als Wissenschaftler, doch besser vorher einmal in die Statistik geschaut. Denn was er als Aufgabe des Statistischen Bundesamts zurecht einfordert, “die wertneutrale Information über empirische Abläufe”, gilt natürlich auch für ihn als Wissenschaftler wie für jeden, der sich eines Gegenstands versichern und zu einer darauf basierenden Meinungsbildung beitragen möchte. Fehler freilich können uns allen dabei unterlaufen.
Interessanter aber ist, dass das Statistische Bundesamt in seiner Antwort deutlich macht, dass es tautologisch argumentiert. Denn wenn es, wie es in der Antwort heißt, mit dem Begriff “positive Konsumneigung” die “sehr positive Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte” beschreibt, den Begriff aber in der Pressemitteilung als “wesentlichen Grund” für den deutlichen Anstieg der privaten Konsumausgaben anführt, heißt das ja nichts anderes, als zu sagen: Ein wesentlicher Grund für den deutlichen Anstieg der Konsumausgaben der privaten Haushalte ist die “sehr positive Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte”. Noch kürzer, in derselben Lesart des Statistischen Bundesamts: Ein Grund für den Anstieg der Ausgaben ist der Anstieg der Ausgaben. Das darf natürlich nicht passieren.
War die Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte aber ungeachtet dessen überhaupt “sehr positiv”?
Unsere Prüfung der Zahlen ergibt immerhin, dass 2015 die jährliche Zuwachsrate des Konsums der privaten Haushalte – und zwar real (preisbereinigt) wie nominal – über dem durchschnittlichen jährlichen Anstieg (Mittelwert) in den Zeiträumen 2000 bis 2015 und 1992 bis 2015 lag. Wir könnten es also daran gemessen in 2015 tatsächlich mit einer “sehr positiven Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte” zu tun haben. Nur wäre diese eben nicht auf eine “positive Konsumneigung” zurückzuführen. Denn, wie das Statistische Bundesamt in seiner Antwort ja selbst festhält und wir zuvor bereits festgestellt hatten, liegt die Sparquote (Konsumquote) in 2015 höher (niedriger) als im Vorjahr und im Jahr 2000.
Um von einer “sehr positiven Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte” zu sprechen, müsste man aber darüber hinaus sicherstellen, ob wir es zuvor zumindest mit einer positiv zu bewertenden Zunahme der Konsumausgaben der privaten Haushalte zu tun haben. Dagegen spricht aber, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den Jahren zuvor maßgeblich vom Außenhandel getragen worden ist. Der (nominale) Außenbeitrag (die Differenz aus Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen) ist in den genannten Zeiträumen dann auch um ein vielfaches stärker gestiegen, als die (nominalen) Konsumausgaben der privaten Haushalte. Das gilt im übrigen auch für das Jahr 2015, was den Anstieg der Konsumausgaben der privaten Haushalte auch hier relativiert. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte bilden dabei das mit Abstand größte Nachfrageaggregat der Volkswirtschaft. Das relativiert auch sehr stark die preisbereinigten Wachstumsbeiträge. Bzw. spricht es meines Erachtens eben für schwache Zuwachsraten der Konsumausgaben der privaten Haushalte, wenn deren Wachstumsbeitrag im Zeitraum 2000-2015 sogar unter dem des Außenbeitrags lag.
Wie angekündigt, folgt in Kürze ein weiterer Beitrag im Abonnement, der sich mit der Erklärung der Konsum- durch die Einkommensentwicklung befasst.
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