Wir sind in unserem Beitrag gestern zur Entwicklung des Konsums der privaten Haushalte zunächst der Argumentation von Heiner Flassbeck insoweit gefolgt, als dass wir die Sparquote herangezogen haben, um die “Konsumneigung” zu ermitteln. Die Sparquote selbst aber ist nur bedingt aussagekräftig, worauf wir nicht versäumen wollen hinzuweisen. Es gibt darüber hinaus noch einen Indikator, der in Politik, Medien und Wissenschaft sehr gebräuchlich ist, um die “Konsumneigung” zu “messen”. Die Aussage jenes Indikators ist jedoch aus denselben Gründen nur bedingt aussagekräftig, wie es die Sparquote ist. Nicht ausgeschlossen, dass sich auch das Statistische Bundesamt hieran orientiert hat. Eine Kritik wäre dann auch, dass das Statistische Bundesamt nicht erklärt, woran es die von ihm benannte “Konsumneigung” misst.
“Die Sparquote errechnet sich aus dem Sparen in Prozent des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte (zuzüglich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche)”, definiert das Statistische Bundesamt in seinem Glossar die Sparquote der privaten Haushalte. Das verfügbare Einkommen jedoch umfasst eben alle Einkommensarten – aus denen je nach Einkommensart (abhängig beschäftigt, selbständig) und Höhe des Einkommens sehr unterschiedlich gespart werden dürfte, worüber die Sparquote keine Auskunft gibt). Entsprechend unterschiedlich dürfte die “Konsumneigung” in den einzelnen Einkommensarten und -höhen ausfallen. “Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte nennt man die Einkommen, die den privaten Haushalten zufließen und die sie für Konsum- und Sparzwecke verwenden können”, definiert wiederum das Statistische Bundesamt in seinem Glossar. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick auf Basis der aktuellsten Zahlen.
In dem langen Beobachtungszeitraum, den das Statistische Bundesamt in seiner Meldung zugrunde gelegt hat, auf die wir uns gestern bezogen haben, ist darüber hinaus die Ungleichverteilung und Konzentration der Einkommen gestiegen. Das dürfte wiederum zu einer größeren Ungleichheit bei der “Konsumneigung” bzw. den Sparquoten der einzelnen Einkommenshöhen und -arten geführt haben. Aus höheren Einkommen wird in der Regel anteilig weniger konsumiert bzw. anteilig mehr gespart, als aus niedrigen. Über das alles verrät die gewählte Sparquote nichts. Insofern kann sie tatsächlich nur die “Konsumneigung” insgesamt, über alle Einkommensarten hinweg, ausdrücken, gibt aber beispielsweise keine Auskunft darüber, wie sich die “Konsumneigung” in einzelnen Einkommensgruppen verändert hat.
So selbstverständlich dieses Verständnis sein sollte, so wichtig erscheint es uns, gesondert darauf hinzuweisen, weil dieses Verständnis verständlicherweise für einen breiteren Leserkreis, der sich mit diesen Größen sonst nicht befasst, eben doch nicht vorausgesetzt werden kann.
Schließlich ist es gebräuchlich geworden, unter “Konsumneigung” das Umfrageergebnis der GfK zu verstehen (siehe zuletzt hier). Dort hieß es beispielsweise zuletzt:
“Die Konsumlaune der deutschen Verbraucher bleibt weiter ungebrochen. Der Indikator Anschaffungsneigung weist mit 52,7 Punkten im Februar exakt den gleichen Wert wie im Vormonat auf. Damit bestätigt er sein überaus hohes Niveau. Auf die Gründe für die große Konsumlust wurde wiederholt eingegangen: Eine überaus stabile Beschäftigungslage führt dazu, dass die Beschäftigten nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Dies sorgt für Planungssicherheit, die vor allem bei größeren Anschaffungen bzw. Ausgaben ein wichtiges Kriterium ist. Wer davon ausgeht, dass sein Arbeitsplatz und damit sein Einkommen auf absehbare Zeit gesichert sind, wird eher bereit sein, ein finanzielles Risiko in Form einer größeren Ausgabe einzugehen.”
Die Umfrage basiert auf 2.000 Verbraucherinterviews. “Das Konsumklima bezieht sich explizit auf die gesamten privaten Konsumausgaben”, erklärt die GfK. Damit wohnt ihr dieselbe Schwäche inne, wie oben für die Sparquote aufgezeigt. Die Umfrage ist aber darüber hinaus seit langem höchst umstritten. Die in der oben zitierten Passage ausgeführte Schönfärberei zur Situation der Beschäftigungslage und des Arbeitsmarktes allein ist ihrerseits eine unzulässige Pauschalisierung, wie wir vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlergebnisse erst wieder herausgestellt haben (siehe hier).
Wie gestern bereits angekündigt, folgt in Kürze ein weiterer Beitrag im Abonnement, der sich noch einmal aus einem anderen Blickwinkel mit der Erklärung und Aussagekraft der Konsum- und Einkommensentwicklung befasst.
Anmerkung: Siehe jetzt auch den Beitrag Konsumneigung: Fragen an das Statistische Bundesamt.
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