Die Finanzminister der Euro-Länder haben Defizit-Verfahren gegen Portugal und Spanien eingeleitet. Das Entscheidende dabei sind weniger die Folgen, die daraus resultieren. Beide Länder liegen auch ohne diese Verfahren und trotz konjunktureller Erholung immer noch am Boden. Das Entscheidende ist die dogmatische Geisteshaltung, die die Finanzminister damit ein weiteres Mal walten lassen. Das sture und einseitige Festhalten an Zielen für das Haushaltsdefizit und die Schulden des Staates, losgelöst von der Konjunktur und – vor allem – der hohen Arbeitslosigkeit ist zerstörerisch. Für die betroffenen Länder und die Europäische Währungsunion (EWU) insgesamt. Gerade der deutsche Finanzminister hätte angesichts des Regelbruchs, den Deutschland mit einem weit über sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegenden Leistungsbilanzüberschuss verübt, dazu besser geschwiegen. Er ist aber einer der Hauptverantwortlichen für diese Politik. Und damit auch für die politische Radikalisierung, die sich in Europa nicht erst mit dem Brexit Gehör verschafft.
Le Pen in Frankreich und die AfD in Deutschland sind Profiteure jener Politik, die in Deutschland durch Merkel, Schäuble und Gabriel bestimmt wird. Wer, wie Ralf Stegner (SPD) meint, “die AfD ist gefährlich für unsere Demokratie”, und gleichzeitig ausblendet, dass er und seine Partei mit ihrer Politik in den vergangenen Jahren der AfD den Boden bereitet haben, ist zumindest nicht weniger gefährlich für unsere Demokratie. Auf der Grundlage politisch gestalteter ständiger Benachteiligung vieler ohnehin schon Benachteiligter und Bevorzugung ohnehin schon Privilegierter, wie es die SPD mit der Agenda 2010 begonnen hat, lassen sich am Ende trefflich Ängste vor Flüchtlingen schüren. Genauso wie auf der Grundlage von Wohnungsnot, Mietwucher, maroden Schulen und anderen von den genannten Parteien vernachlässigten Grundbedürfnissen in der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass gerade die SPD eine Erosion bei den Mitgliederzahlen zu verkraften hat. Aber auch die anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien verzeichnen Verluste. “Hauptursache sei die Überalterung”, geht nach dem Deutschlandfunk aus der Studie hervor. Das aber ist fragwürdig. Denn warum lassen sich denn jüngere Menschen nicht für Parteien begeistern? Das liegt doch wohl an der ausgeübten Politik und natürlich an der Organisation von Parteien, ihren Hierarchien und ihrer Kultur im weitesten Sinne.
Ein besonders abstoßendes Merkmal ist dabei die Hörigkeit der Politik gegenüber mächtigen Interessenvertretern. Der Parteivorsitzende der SPD ist dafür ein Paradebeispiel, wie nicht nur sein Ministerentscheid zu Tengelmann deutlich macht. Der aber ist heute durch das Oberlandesgericht Düsseldorf gestoppt worden. Die Sorge des Gerichts: Befangenheit und fehlende Neutralität. Endlich einmal wird solch Mauschelei justiziabel. Das ist immerhin geeignet, das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Für die Glaubwürdigkeit der Politik ist es ein Desaster. Was wohl Herr Stegner dazu sagt!
Das Gefährliche an dieser politischen Großwetterlage ist es ja gerade, dass die etablierte Politik ausgedient hat. Sie hat sich bis zuletzt unbelehrbar gezeigt. Brexit! Egal, weiter so. Massenarbeitslosigkeit in Europa! Egal, weiter so. Proteste in Frankreich! Egal, weiter so. AfD in Deutschland, Le Pen in Frankreich, politische Radikalisierung, wohin man schaut! Egal, weiter so. Die Beteiligten operieren die Demokratie am offenen Herzen, verhalten sich aber wie Akteuere ohne jede Ausbildung, ohne jedes Problem- und Geschichtsbewusstsein, ohne jedes Fingerspitzengefühl. Das einzige, was sie haben, ist Macht und Selbstgefälligkeit und ein System im Rücken, das ihnen dies gestattet.
Wo das enden wird, kann niemand vorhersagen. Gutes verheißt diese politische Großwetterlage jedoch sicherlich nicht.
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