Arbeitslosigkeit, Migration, Integration: Wie höhere Arbeitslosigkeit verhindert werden kann

Laut Medienberichten, die sich auf neue Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium berufen, soll die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr wieder steigen. Den Grund sehe das Bundesfinanzministerium in der starken Migration. Das hatte bereits im jüngsten Monatsbericht festgehalten:

“Erste Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zeigt auch die Fluchtmigration. Die Zahl der Arbeitslosen aus den zugangsstärksten nichteuropäischen Asylherkunftsländern hat sich im Juni um 5 000 erhöht (nach + 9 000 im Vormonat). Auch die Teilnahme an Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik für diesen Personenkreis nahm weiter zu (u. a. Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, Integrationskurse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)).”

Diese Entwicklung kann nicht ernsthaft überraschen (siehe unsere frühzeitigen Analysen hierzu hier und hier). Wohl aber die Deutung derselben.

Denn dafür, dass eine starke Migration keineswegs zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit führen muss, spricht der grundsätzliche Zusammenhang, den das ehemalige Mitglied des Sachverständigenrats, Claus Köhler, schon vor vielen Jahren so klar herausgearbeitet hat: Um die Arbeitslosigkeit zu senken, muss die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) höher ausfallen, als die Zuwachsrate des potenziellen BIP. Das reale BIP entspricht der Zahl der Erwerbstätigen multipliziert mit der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen. Das potenzielle BIP entspricht der Zahl der Erwerbspersonen (Erwerbstätige+Erwerbslose) multipliziert mit der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen. Das Wirtschaftswachstum (Zuwachsrate des realen BIP) muss also nur genauso hoch ausfallen wie die Zuwachsrate des potenziellen BIP, um die Arbeitslosigkeit nicht steigen zu lassen. Steigt erwartungsgemäß die Zahl der Erwerbspersonen durch Migration, muss das Wirtschaftswachstum entsprechend höher ausfallen, damit die Arbeitslosigkeit nicht steigt. Damit die auch ohne Migration schon viel zu hohe Arbeitslosigkeit sinkt, muss das Wirtschaftswachstum höher ausfallen.

Vor diesem Hintergrund ist es verkehrt bzw. verkürzt, wenn ein Anstieg der Arbeitslosigkeit allein an der starken Migration festgemacht wird. Durch sie steigt das Arbeitsangebot. Das führt aber nicht zu höherer Arbeitslosigkeit, solange auch die Arbeitsnachfrage steigt. Die aber steigt nur angemessen, wenn auch das Wirtschaftswachstum angemessen ist. Dass dies keineswegs unrealistisch und aus ökologischem Blickwinkel durchaus nachhaltig und wünschenswert ist, haben wir bereits des Öfteren diskutiert (siehe zuletzt hier und hier).

Die Bundesregierung aber hat weder ein Beschäftigungsziel, noch fußt ihre Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik auf entsprechenden Zusammenhängen und Überlegungen. Deswegen war es nicht überraschend Ende vergangenen Jahres zu lesen, dass die Bundesregierung plane, die Flüchtlinge aus der Arbeitslosenstatistik herauszurechnen, und es ist nicht überraschend zu lesen, dass nun laut Bundesregierung die Arbeitslosigkeit aufgrund der Migration steigen soll.

Aufgrund dieses negativen Befunds bleibt auch unsere bereits im Dezember vergangenen Jahres getroffene Einschätzung aktuell:

“Eine Perspektive erhalten die Flüchtlinge nur über eine Integration in den Arbeitsmarkt. Eine Perspektive erhalten aber auch erst die Millionen bereits jetzt gemeldeten Arbeitslosen nur über eine Integration in den Arbeitsmarkt. Löst die Bundesregierung das Spannungsverhältnis zwischen Arbeitsangebot (Zahl der Arbeitslosen) und Arbeitsnachfrage (gemeldete Stellen) nicht durch eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik auf, die ein entsprechend der oben vorgenommenen Erläuterungen angemessenes Wirtschaftswachstum befördert, werden die sozialen Spannungen aller Voraussicht nach weiter zunehmen. Mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen auch für die politische Entwicklung, die bereits jetzt durch eine zunehmende Radikalisierung gekennzeichnet ist.”


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