Heute früh hat das Statistische Bundesamt die detaillierten Ergebnisse zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal veröffentlicht. Der Ökonom Heiner Flassbeck hatte zur vorab veröffentlichten Schnellmeldung des Statistischen Bundesamts zum BIP dem Statistischen Bundesamt unterstellt, dessen Zahlen seien ein Produkt der Phantasie und das Amt würde seine Zahlen nach den Erwartungen der Politiker ausrichten (siehe zu seinem Beitrag und unserer Kritik daran hier und hier). Wir werden in Kürze wie gewohnt auf Basis der detaillierten Zahlen die Fragen beantworten, ob das Wirtschaftswachstum angemessen war, ob der Verteilungsspielraum ausgeschöpft wurde, und wie sich die Realwirtschaft gegenüber der Börse entwickelt hat. Auch werden wir gegebenenfalls auf darüber hinaus gehende, erwähnenswerte Entwicklungen eingehen. Einige Werte seien unten allerdings schon jetzt genannt, die Flassbecks Unterstellungen einmal mehr infrage stellen.
Allein schon der Vorquartalsvergleich, den Flassbeck zur Grundlage genommen hat, zeigt: Sowohl die privaten Konsumausgaben, als auch die Konsumausgaben des Staates haben zugelegt. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte entsprechen rund 51 Prozent des BIP (2015). Die Konsumausgaben des Staates entsprechen rund 19 Prozent des BIP (2015). Die Bruttoanlageinvestitionen sind dagegen stark gesunken. Sie entsprechen rund zwanzig Prozent des BIP (2015). Ein Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen kann doch nun wirklich nicht das Interesse der Politiker sein, zumindest nicht der regierenden. Eine Behörde, die die Zahlen hätte schönen wollen, hätte hier doch am ehesten geschummelt. Auch weiter gestiegene Exporte bei sinkenden Importen sind nun wahrlich kein gutes Zeugnis für die Politik. Erhöhen sie doch den ohnehin schon unvertretbar hohen Außenhandelsüberschuss Deutschlands mit dem Rest der Welt. Der Außenbeitrag (2015: 7,6% des BIP) trug dann auch am stärksten zum Wachstum des BIP gegenüber Vorquartal bei (+0,6 Prozentpunkte), der Wachstumsbeitrag der inländischen Verwendung (2015: 92,4% des BIP) war demgegenüber sogar negativ (-0,2 Prozentpunkte). Es waren also vor allem andere Volkswirtschaften und damit andere Politiker in anderen Ländern – die möglicherweise eine andere Politik als die deutsche Bundesregierung verfolgt haben -, die Wachstum, Beschäftigung und Einkommen in Deutschland gesichert haben. Das wirft jedenfalls kein gutes Licht auf die Bundesregierung, was das Statistische Bundesamt uns da präsentiert hat.
Selbst aber, wenn man, wie Flassbeck, unterstellt, dass all diese Zahlen ein Produkt der Phantasie der Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts sind, sind das denn etwa auch die Zahlen über die Staatseinnahmen und -ausgaben, die das Statistische Bundesamt heute in einer gesonderten Meldung für das erste Halbjahr präsentiert hat, oder auch nur die für das zweite Quartal in den detaillierten Zahlen zum BIP ausgewiesenen? Sind gar auch die Zahlen über die geleisteten Arbeitsstunden der Arbeitnehmer manipuliert, die Erwerbstätigenzahlen, die ebenfalls Bestandteil der Berechnungen zum BIP sind, vielleicht auch die Arbeitsmarktzahlen der Bundesagentur für Arbeit?
Wir gehen auf diese Größen und ihre Entwicklung im Rahmen unserer Analysen ein. Auch ziehen wir für unsere Analysen die in unseren Augen stabileren und zuverlässigeren Ursprungswerte und den Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum heran. Dabei gilt es unter anderem zu berücksichtigen: Selbst, wenn eine Volkswirtschaft wächst, heißt dies noch lange nicht, dass das Wachstum angemessen ist, um die Arbeitslosigkeit so zu senken, dass Vollbeschäftigung wieder in Sichtweite kommt oder die Menschen auch nur spüren, dass sich ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz, der noch dazu die Existenz sichert, verbessert haben. Schon der Außenbeitrag zeigt darüber hinaus, dass das Wirtschaftswachstum allein noch nichts darüber verrät, ob das Wachstum den Vorgaben des Stabilitätsgesetzes entspricht, das auch ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht verlangt. Und vieles mehr. All das bedarf der sorgfältigen Analyse, die die Daten des Statistischen Bundesamts überhaupt erst ermöglichen. Die Analysen erscheinen in Kürze wie gewohnt im Abonnement.
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