Abgeordnetenhauswahl Berlin, AfD: Wieder waren es die Abgehängten

In Anbetracht einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach schlussfolgerten wir erst am 9. September unter der Überschrift “Viel zu viele Abgehängte“: “25 Prozent Abgehängte aber sind viel zu viele – für eine Demokratie jedenfalls. Das zeigen nicht zuletzt die jüngsten Wahlergebnisse. Viele Medien und die Politik scheinen sich aber dieser Ausgangslage, die sie selbst geschaffen haben, nicht bewusst zu sein oder sie bewusst zu ignorieren. Damit aber machen sie erst Parteien wie die AfD und Bewegungen wie PEGIDA möglich. Es hilft aber nichts über deren Ergebnisse zu schimpfen und gegen sie zu moralisieren, wenn man sich nicht der Voraussetzungen für ihren Erfolg vergewissert.” Das sich das immer noch nicht herumgesprochen hat, zeigen unreflektierte Beiträge wie der jüngst auf Spiegel online erschienene von Liane Bednarz und Farhad Dilmaghani, den wir kritisch aufgegriffen haben (siehe hier). Die Wahlanalyse von infratest dimap unterstreicht aber unseren Fokus auf die Ursachen für die Wahlerfolge der AfD. Erneut waren es die Abgehängten, die die AfD ins Parlament getragen haben. Der Auftrag, der sich daraus für die Politik ergibt, erscheint ebenso offensichtlich wie einleuchtend – und umsetzbar.

Die meisten Wählerstimmen erhielt die AfD auch in Berlin von Arbeitern und Arbeitslosen. Erst mit größerem Abstand folgen Rentner, Angestellte und Selbständige.

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Nun lassen sich diese Wähler sicherlich nicht in Gänze, wohl nicht einmal mehrheitlich, als “Abgehängte” bewerten. Gerade aber unter den Arbeitslosen dürften soziale Ängste, Frust und das Gefühl, den Anschluss an den Rest der Gesellschaft verpasst zu haben, besonders verbreitet sein. Das dürfte auch für einen großen Teil der Arbeiter gelten. Berlin ist die Hauptstadt der Hartz-IV-Aufstocker titelten viele Medien erst vor kurzem auf Basis von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag herausgegeben hatte (siehe zum Beispiel hier). Bei vielen dürften sich entsprechende Gefühle in der Flüchtlingsfrage Luft verschaffen. Deswegen ist es auch nur ein scheinbarer Widerspruch, wenn als wahlentscheidendes Thema für AfD-Wähler “Flüchtlinge” an erster Stelle steht und “Soziale Gerechtigkeit” erst an dritter Stelle. “Wirtschaft und Arbeit” spielen gar kaum noch eine Rolle, vielleicht ja, weil die Perspektiven, davon zu profitieren, schon lange verloren gegangen sind.

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Keine andere Partei hat anteilig soviel Arbeiter und Arbeitslose für sich gewonnen wie die AfD.

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Die Arbeitslosigkeit in Berlin ist sehr hoch; die Arbeitslosenquote betrug zuletzt, im August 2016, 9,7 Prozent; die weiter gefasste Unterbeschäftigungsquote sogar 12,8 Prozent. Das sind vergleichbare Werte – sei es wie zuletzt in bestimmten Wahlkreisen bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen (siehe dazu hier) oder bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern (siehe dazu hier) -, bei denen die AfD auch in anderen Landesteilen zu zweistelligen Ergebnissen gekommen ist.

Die naheliegende politische Antwort darauf ist, für einen intakten Arbeitsmarkt zu sorgen. Davon ist Deutschland – aller unsachlichen Euphorie in Politik und vielen Medien zum trotz – sehr weit entfernt. Es klafft eine riesige Lücke zwischen der Zahl der Arbeitslosen (Arbeitsangebot) und der Zahl der offenen Stellen (Arbeitsnachfrage); hinzu kommen Millionen unsäglich bezahlte und befristete Beschäftigungsverhältnisse und ein Mindestlohn, der die Existenz nicht sichert. Verhältnisse am Arbeitsmarkt, die die Politik selbst geschaffen hat. Sie kann diese auch wieder ändern. Das ist die positive Nachricht. Hierzu muss sich die Politik jedoch wieder auf den Zusammenhang von Konjunktur und Arbeitsmarktentwicklung besinnen, den sie spätestens seit der Agenda 2010 so konsequent ausblendet. Zulasten von Wachstum und Beschäftigung. Davon profitiert die AfD, darunter leiden der soziale Frieden, die politische Stabilität und am Ende die Demokratie.


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