“Trump ist nicht nur für die EU ein Problem, sondern für die ganze Welt”, hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, gerade im Interview mit Spiegel online verlauten lassen. Schulz weiter: “Meine Sorge ist, dass er Nachahmer auch in Europa beflügeln könnte.” Wieso “Nachahmer”, sind sie etwa nicht schon längst da? In seiner Verantwortung als Präsident des EU-Parlaments müsste Schulz aber wenn schon zuallererst diese Frage umtreiben: “Warum könnte Trump Nachahmer auch in Europa beflügeln?” Dass Schulz sich diese Frage nicht stellt, wird in anderen Aussagen von ihm im Interview deutlich und darin, dass er gravierende Probleme gar nicht erst anspricht.
Schulz stellt der EU folgende Diagnose aus:
“Wir haben weiterhin zu große ökonomische Unterschiede in der Union, die Jugendarbeitslosigkeit ist viel zu hoch, es gibt nur langsames Wachstum, notwendige Reformen sind nicht auf den Weg gebracht worden. Hinzu kommt die Renationalisierungsstrategie der Regierungen in Polen und Ungarn. Das alles bedroht die Zukunft der Gemeinschaft. Ich mache mir große Sorgen.”
Warum aber spricht er nicht die Rolle Deutschlands an, wenn es um “die großen ökonomischen Unterschiede in der Union” geht? Weiß er nicht, dass Deutschland den zweitgrößten Teil seines im Ausland viel kritisierten Außenhandelsüberschusses mit Großbritannien realisiert (siehe unsere Analyse dazu hier)? Weiß er nicht, dass Deutschland in den ersten sieben Monaten des Jahres erneut mehr in die Länder der Europäischen Währungsunion (EWU) und in die Europäische Union (EU) exportiert hat, als von dort importiert (siehe zum Thema zuletzt unsere Analyse hier)? Dasselbe gilt für den Rest der Welt, insbesondere auch – und das seit langem – für die USA (siehe hierzu zuletzt hier).
Warum sagt Schulz also nicht: “Deutschland ist ein Problem für die ganze Welt?” Weil seine Partei, die SPD, mit ihrer Politik seit Schröder hierfür maßgeblich verantwortlich zeichnet und die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte bis heute ignoriert, trotz massiver internationaler Kritik?
Schulz kritisiert Trump, weil dieser “damit kokettiert, dass er keine Ahnung hat und Fachwissen als elitären Quatsch bezeichnet”. Wohlan! Ist es aber nicht ehrlicher, damit zu kokettieren, als, wie Schulz, so zu tun, als hätte er Ahnung?
So auch beim Thema Arbeitslosigkeit. Schulz – siehe seine oben zitierte Diagnose - meint offensichtlich, nur die Jugendarbeitslosigkeit sei in der EU zu hoch. Sie ist es aber insgesamt, keineswegs nur für die Jugend. Wer die Arbeitslosigkeit aber nicht als das zentrale Problem erkennt – was für Schulz und seinen Kollegen Juncker und all die anderen in führender Verantwortung stehenden Politiker und Funktionäre seit Jahren gilt -, der darf sich auch nicht wundern, wenn immer radikalere politische Kräfte immer stärkeren Zulauf in der EU bekommen und auch die von Schulz im selben Atemzug erwähnten Renationalisierungsstrategien. Dazu bedarf es keines Trump, wie Le Pen und die AfD beispielsweise zeigen.
Es sind Politiker wie Schulz, die diese Entwicklung erst ermöglicht haben – sei es aus Ahnungslosigkeit oder politischem Egoismus -, indem sie in führender Verantwortung dafür die Voraussetzungen geschaffen haben, indem sie vermeintlich “notwendige Reformen” erzwungen haben (siehe hierzu auch die Analyse des ehemaligen Mitglieds des Sachverständigenrats, Claus Köhler, in WuG). Diese sollten vor allem dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaften wieder herzustellen. Als Maßstab hierfür galt das vermeintliche Musterland Deutschland, das aber mit seinen “Reformen” seit Schröder die Lohnentwicklung gebremst und die sozialen Standards heruntergeschraubt hat. Darüber ist so viel geschrieben worden, dass es Schulz eigentlich nicht entgangen sein dürfte. Und wieder gelingt es ihm nicht einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen, wenn er sich darüber beklagt: “es gibt nur langsames Wachstum”. Die von Schulz und seinen Kollegen für notwendig befundenen “Reformen” bewirken aber nun einmal langsames Wachstum oder sogar Schrumpfung – und, damit einhergehend, sehr hohe Arbeitslosigkeit (siehe dazu ebenda). Denn die auch von Schulz mit getragenen “Reformen” bedeuteten doch bisher noch immer staatliche Ausgabenkürzungen, Lohnsenkungen, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Rentenkürzungen.
Anstatt aber Lösungen für die Zukunft Europas aufzuzeigen – worunter wahrlich mehr zu verstehen ist als eine Aussage wie diese von Schulz: “…notwendige Reformen sind nicht auf den Weg gebracht worden…” – diskutiert Schulz den Rest des Interviews lieber über seine eigene Zukunft. Was letzteres anbelangt war Schulz, das ist ihm nun wirklich nicht abzusprechen, ja nun aber auch überaus erfolgreich.
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