SPD: Wann Medienpräsenz schadet

In Sachen Medienpräsenz kann sich die SPD grundsätzlich nicht beklagen. Das zeigt nicht zuletzt unsere monatliche Medienanalyse (siehe zuletzt hier). Beklagenswert – zumindest für die SPD – aber sind ihre Umfrageergebnisse. Zuletzt lag die SPD dort auf Bundesebene bei 20 bzw. 21 Prozent (siehe hier, Stand: 3. Januar bis 5. Januar 2017, bei vier Meinungsforschungsinstituten). Generell sollte eine angemessene Präsenz in den Medien einer Partei nutzen. Bei der SPD ist das offensichtlich nicht der Fall. Sie hat in der Wählergunst verloren, ausgehend von einem ohnehin niedrigen Niveau seit der historischen Wahlniederlage 2009 und dem nur mäßigen Wahlergebnis 2013. Wie kann das sein?

Vieles spricht dafür, dass die SPD immer noch Opfer ihrer eigenen Politik ist. Dass sich mehr und mehr Menschen “abgehängt” fühlen, dürfte zu einem wesentlichen Teil der Agenda 2010, insbesondere Hartz IV, zu verdanken sein. Mit ihrer Politik hat die SPD die Schuld der Arbeitslosigkeit auf den Schultern des Einzelnen abgeladen. Dabei ist es, wie wir immer wieder festgestellt haben, die Konjunktur, die das Auf und Ab am Arbeitsmarkt wesentlich bestimmt. Hartz IV hat die allgemeine Lohnentwicklung behindert und Millionen Menschen in den Niedriglohnsektor abgedrängt. Daran hat auch der gesetzliche Mindestlohn nichts geändert, wie die Ausschöpfung des Verteilungsspielraums verrät. Der Mindestlohn selbst ist nicht geeignet, die Existenz zu sichern (siehe dazu zuletzt ausführlich hier). Das Sündenregister der SPD ist jedoch noch viel länger, man denke nur an die Rentenpolitik, die Bildungspolitik, die Steuerpolitik, die Sozialversicherungen, die öffentliche Infrastruktur. Wo man auch hinschaut, hat die SPD gerade diejenigen, die es am nötigsten haben, allein gelassen, zugunsten einer Klientel, die sich auch ohne staatliche Unterstützung sehr gut zu helfen weiß: Großunternehmen, Großverdiener, Menschen mit hohen Vermögen.

Der Parteivorsitzende, Sigmar Gabriel, hat gerade erst wieder kundgetan, dass er daran nichts zu ändern gedenkt. Er zieht offensichtlich eine Koalition mit der FDP einer Koalition mit den Linken vor. Die Linke brandmarkt er als nicht regierungsfähige Fundamentalopposition. Zum Bündnis mit der FDP zitiert er die Ampel-Koaltion in Rheinland-Pfalz. Die rot-rot-grüne Regierung in Berlin ist für ihn dagegen offensichtlich nicht zitierfähig.

Damit wird sich die Wählerschaft, die die SPD seit Gerhard Schröder, Frank Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel verloren hat, wohl kaum zurückgewinnen lassen. Wir beobachten seit Jahren, dass insbesondere Gabriel sich dieser Realität beharrlich verweigert. Nichts zeigt dies besser, als dass er erneut die Bundeskanzlerin wegen ihrer Sparpolitik in Europa angreift und diese allein CDU/CSU anlastet. Es war aber er, der der Kanzlerin immer wieder vorgeworfen hat, beim Sparkurs in Europa nicht weit genug zu gehen (siehe dazu hier).

Entweder hat Gabriel sich im Geiste seit langem eine eigene Welt geschaffen, die ihn von der wirklichen Welt und seiner eigenen Verantwortung abschirmt oder aber er sagt bewusst die Unwahrheit, um die Wähler zu täuschen. Beides ist gleichermaßen beängstigend und disqualifiziert ihn als Politiker, erst recht für die Position des Bundeskanzlers, sollte er es denn wagen, zu kandidieren, was gleichermaßen als Realitätsverlust interpretiert werden kann. Denn seine Chancen dürften äußerst gering sein. Auch, weil seine Wirklichkeit bei den Wählern wohl kaum verfangen wird, weil sie der ihren eben nicht entspricht. Die AfD profitiert davon und liegt in denselben Umfragen zwischen 12 und 15 Prozent. Wohl kaum, weil sie eine soziale Alternative zur SPD bietet, sondern weil sie denjenigen, die die SPD zweifelnd und verzweifelnd zurückgelassen hat, als Ventil dient, um ihrer Ohnmacht Luft zu verschaffen. Und sei es nur, indem sie an niedere Instinkte appelliert und die Mutlosen gegen Ausländer und Flüchtlinge hetzt. Die Saat dafür aber hat die SPD – gemeinsam mit CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – mit ihrer Politik seit Schröder gelegt, an der sie bis heute festhält.

Gabriel ist aber nicht der einzige Schwachpunkt der SPD, wenn auch wohl der zurzeit gravierendste. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass alle Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag namentlich für Hartz IV und die Teilprivatisierung der Rente gestimmt haben (siehe dazu hier und hier). Problematisch für viele Wähler sicherlich auch bis zuletzt die Abstimmungen zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zur Erbschaftssteuerreform. Entscheidend aber dürften immer noch die Zäsuren wirken, die die Agenda 2010 mit sich gebracht hat.

Wenn eine Partei so stark an Glaubwürdigkeit verloren hat und sich unfähig zeigt, sich den verloren gegangenen Wählern wieder mit einer überzeugenden politischen Alternative anzunähern und so ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, schadet ihr ihre eigene Medienpräsenz. Denn mit jedem Interview, das der SPD-Vorsitzende und die anderen SPD-Bundestagsabgeordneten führen, machen sie wieder und wieder deutlich, dass sie unglaubwürdig sind bzw. unfähig, einen Politikwechsel anzustreben, der den Abgehängten wieder eine Perspektive gibt und den sozialen Frieden wieder herstellt.


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