Trump: Einen Spaten einen Spaten zu nennen reicht nicht

Es sind Beiträge wie der Film “Präsident Trump – Leben für den Erfolg” von Michael Kirk, die der Person Trump wirklich auf den Grund zu gehen versuchen – und die einem tatsächlich Furcht einflößen vor dem vorgestern inaugurierten 45. Präsidenten der USA, Donald J. Trump. Kirk hat aber just unmittelbar zur Inauguration von Trump auch einen Film veröffentlicht, der den Titel “Divided States of America”, Geteilte Staaten von Amerika, trägt (1). Er scheint also auch nach den Ursachen für den Aufstieg Trumps zum US-Präsidenten zu fragen und diese in einem geteilten Land zu suchen (wir können den Film in Deutschland aus rechtlichen Gründen leider nicht einsehen). Von einem solchen Erkenntnisinteresse sind derzeit aber nur vergleichsweise wenige Filme-Macher, Journalisten und Politiker geleitet. Vielmehr erleben wir neben einer durchaus nachvollziehbaren, aufrichtigen Verwirrung über das von Trump infrage gestellte Selbstbild Europas, insbesondere Deutschlands, dass einige Journalisten und Politiker die neu entstandene Situation als gestandene Propagandisten des Kalten Krieges ausschlachten. Für sie ist nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in den USA verantwortlich für den Wahlsieg Trumps, sondern der böse Russe Putin. Einer der brachialsten Vertreter dieser verhängsnisvollen Ausrichtung ist vermutlich Marcus Pindur, der dieses Feld unter anderem für den öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk bestellt. Wir gehen unten näher darauf ein. Dass dieses Phänomen jedoch keineswegs ein deutsches oder europäisches ist, sondern auch in den USA selbst zuhause ist, hat jüngst erst der Journalist Glenn Greenwald kritisch aufgezeigt und problematisiert. Wir wollen im Folgenden versuchen, beides zusammenzubringen, um die Art und Weise besser zu verstehen, mit welchen Mitteln in diesem Propaganda-Krieg versucht wird, die Meinungshoheit zu gewinnen und welche Gefahren – auf die Greenwald verweist und auf die wir in vorangegangenen Beiträgen zum Thema bereits verwiesen haben – dies mit sich bringt. Gefahren für unsere Demokratien und den Weltfrieden.

Glenn Greenwald hat am 11. Januar einen Beitrag in The Intercept veröffentlicht, der sich darüber beklagt, dass ein “Staat im Staate”  dem neu gewählten US-Präsidenten den Krieg erklärt hätte, mittels ungeprüfter Behauptungen, die die Demokraten bejubeln würden. In den “Staat im Staate” führt Greenwald ein, indem er eine Warnung des ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower aus dem Jahre 1961 wiedergibt. Eisenhower warnt darin vor einem “militärisch-industriellen Komplex”, der unberechtigt Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nehmen würde. Das Potenzial für einen katastrophalen Aufstieg von Machtmissbrauch würde existieren und andauern (“In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the militaryindustrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist.“). Dieser Komplex, diese “Fraktion”, wie Greenwald schreibt, wäre jetzt damit beschäftigt, einen offenen Krieg gegen den ordnungsgemäß gewählten und schon jetzt weitgehend unbeliebten Präsidenten Donald Trump zu führen. Die Beteiligten würden, so Greenwald, die “klassischen dreckigen Taktiken des Kalten Krieges gebrauchen, die genau die Zutaten enthielten, die noch bis jüngst als ´fake news” angeprangert wurden.” (“This is the faction that is now engaged in open warfare against the duly elected and already widely disliked president-elect, Donald Trump. They are using classic Cold War dirty tactics and the defining ingredients of what has until recently been denounced as ´Fake News´.”)

Deren wertvollstes Instrument dafür seien die US-Medien, so Greenwald weiter. Vielen von ihnen, so Greenwald, würden sich auf verdeckte Geheimdienstler beziehen, ihnen huldigen, ihnen dienen, ihnen glauben, für sie Partei ergreifen (“Their most valuable instrument is the U.S. media, much of which reflexively reveres, serves, believes, and sides with hidden intelligence officials.”).

Dann benennt Greenwald die verzweifelte Situation der Demokratischen Partei nach ihrer unerwarteten Wahlniederlage gegen Trump, die er traumatisch nennt, um daraufhin die legitimen Mittel aufzuzählen, mit denen Widerstand gegen Trump und die von ihm ausgehenden “ernsthaften Gefahren” geleistet werden könnte, Strategien, die sich immer wieder in Zeiten politischer Krisen und autoritätrer Maßlosigkeit als effektiv erwiesen hätten: von parteiübergreifenden Koalitionen im Kongress bis hin zu zivilem Ungehorsam (“The serious dangers posed by a Trump presidency are numerous and manifest. There is a wide array of legitimate and effective tactics for combating those threats: from bipartisan congressional coalitions and constitutional legal challenges to citizen uprisings and sustained and aggressive civil disobedience. All of those strategies have periodically proven themselves effective in times of political crisis or authoritarian overreach.”). Aber der CIA und ihren Schatten-Allierten zuzujubeln, um eigenmächtig die US-Präsidentschaft zu untergraben und ihm die eigene Politik zu diktieren wäre schräg und selbstzerstörerisch, Verzweiflung der schlimmsten Sorte.

Dazu gehörten auch unbelegte, anonyme Behauptungen, die einen Anschlag auf den Journalismus, die Demokratie und die menschliche Vernunft darstellten (“But cheering for the CIA and its shadowy allies to unilaterally subvert the U.S. election and impose its own policy dictates on the elected president is both warped and self-destructive. Empowering the very entities that have produced the most shameful atrocities and systemic deceit over the last six decades is desperation of the worst kind. Demanding that evidence-free, anonymous assertions be instantly venerated as Truth — despite emanating from the very precincts designed to propagandize and lie — is an assault on journalism, democracy, and basic human rationality.”).

Die Medien würden damit schlussendlich ihre eigene Glaubwürdigkeit infrage stellen und damit Trump doch nur dienen. Greenwald schildert dann detailliert diverse Fälle, wo dies schon der Fall gewesen sei.

Sowohl Inhalt als auch Darstellung von Greenwald sind wohl kaum geeignet, ihm in irgendeiner Weise als Unterstützer Trumps zu verstehen, sondern, im Gegenteil, als Warner und Gegner. Vor allem aber macht er deutlich, dass viele US-Medien ähnlich einseitig und ohne Belege berichten und Meinung machen, wie wir es auch für viele deutsche Medien in den vergangenen Monaten immer wieder feststellen konnten. Ein von uns kritisierter Meinungsmacher war dabei Marc Pitzke für Spiegel online. Ein anderer Kandidat, der durch äußerst einseitige und, wie ich meine, unsachliche, wenn nicht agressive Kommentierung und Berichterstattung aufgefallen ist, ist Marcus Pindur für den öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk. Diesen beiden sendete ich folgenden tweet:

Die Antwort Pitzkes bewegte sich auf demselben Niveau wie seine Beiträge zum US-Wahlkampf: “Still waiting for my CIA paycheck” (übersetzt: Ich warte noch auf meinen Gehaltsscheck vom CIA. Siehe ebenda unter meinem tweet). Meine naheliegende Antwort (ebenda unter dem tweet von Pitzke): “That´s definitely not the level Greewald discusses the topic” (übersetzt: Das ist definitiv nicht das Niveau, auf dem Greenwald das Thema diskutiert). Noch vielsagender die erste Reaktion Pindurs auf meinen tweet – und die Antwort Pitzkes hierauf: “ ” Offensichtlich hatte ich einen wunden Punkt bei Pindur getroffen, denn er twitterte weiter in einer Art und Weise, die vielleicht sogar Trump hätte neidisch werden lassen, ob seiner Angriffslust und Inhaltsleere:

Das zeigt bereits überdeutlich, wo bei Pindur der Hase langläuft: Er ist ein kalter Krieger, ein Ideologe, der über die Bande Trump seine Putin-Phobie austobt und Stimmung macht. Diese Putin-Phobie kann man unter Umständen ja noch nachvollziehen – ich selbst halte sie für irrational, jedenfalls auf diesem Niveau -, aber sie hilft nun wirklich nicht, das Phänomen und den Erfolg Trumps zu erklären. Pindur reagiert dabei nicht nur auf mich hysterisch, sondern auch auf vorsichtige Einwände anderer:

Pindur treibt in eben der alten “Kalter-Kriegs”-Manier, die Greenwald in seinem Beitrag herausstellt, nicht etwa um, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse eine Person wie Trump an die Spitze der größten Demokratie katapultiert haben, sondern nur der böse Russe in der Persona non grata Putin, der für alles, auch den Wahlerfolg Trumps verantwortlich sein soll. Damit aber verhält er sich selbst radikal undemokratisch – es sei denn er hätte nachgewiesen, dass ein wahlentscheidender Einfluss einer von Putin ausgehenden Wahlmanipulation stattgefunden hätte oder Trump nach dem bestehenden Wahlgesetz nicht rechtmäßig die Wahlen gewonnen hätte. Dafür gibt es aber keine Belege. Aber Belege braucht Pindur offensichtlich auch nicht, denn wo Greenwald die unbelegten Berichte über Skandale kritisiert, lobt er im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk solche als “tadelloses journalistisches Verhalten“. Das ist allerdings nicht nur eine “Stilfrage”!

Als ich schließlich, nachdem Pindur Greenwald “Anti-Amerikanismus” und den hashtag “idiotsfortrump” zugeschrieben hatte, an Pindur und Greenwald adressierte, ob sie sich denn überhaupt kennen würden, schaltete sich das erste Mal auch Greenwald ein, indem er Pindur antwortete und ihm in eine Frage gekleidet vorwarf: “Why do people like you think you can get away with blatantly lying on the internet?” (übersetzt: Warum denken Leute wie Sie, dass sie damit durchkommen, dass sie offensichtlich im Internet lügen?) Ich hielt diesen Vorwurf nur für allzu berechtigt und selbst Pitzke distanzierte sich von Pindur (siehe tweet unten).

 

Pindur aber outete sich ein weiteres Mal als kalter Krieger, indem er erneut Putin bemühte. Greenwald hätte die russische Einmischung in die US-Wahlen verneint und damit ein starkes pro-Trump-Argument geliefert. Greenwald sei der Lügner.

Genau dieses Aufsitzen auf eine vermeintliche Einmischung Russlands in die US-Wahlen, die eben auf jenen unbelegten Geheimdienstberichten basieren, hatte ja – nicht nur – Greenwald gerade problematisiert, weil solch ein Journalismus am Ende eben Trump nützen könnte, indem der Journalismus sich auf jene Art selbst unglaubwürdig machen würde. Warum verwies Pindur nicht auf anerkannte Belege? Nüchterne und kenntnisreiche Einschätzungen wie die des Journalisten Theo Sommer in Die Zeit widersprechen dem beleglosen Gepolter.

Pindur antwortete schließlich noch in einem weiteren tweet an Greenwald, dass die Verteidigung der amerikanischen Demokratie damit beginnen würde, einen Spaten einen Spaten zu nennen. Und das sei die russische Einmischung in die US-Wahlen.

Einen Spaten einen Spaten zu nennen aber reicht nicht – erst recht nicht, wenn man sich im Spaten vergreift. Ich fragte mich an dieser Stelle tatsächlich: Was unterscheidet eigentlich einen Journalisten wie Pindur von Trump, was die Art und Weise anbelangt, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen? Man kann nur hoffen, dass Trump seine Innen- und Außenpolitik auf eine fundiertere Grundlage stellt – und dass wieder die Journalisten die Oberhand gewinnen, die mit der Suche nach Belegen und Zusammenhängen, mit begründeten Argumenten und Rationalität sich selbst und die Menschen, denen sie berichten und die dafür zumindest im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen müssen, informieren. Dass das geht, zeigt ein anderer Journalist des Deutschlandfunks, der wiederum wahrlich nicht verdächtig ist, “pro Putin” zu sein. Oder ist er es für Pindur doch, weil er in seiner Analyse und Kommentierung Putin mit keinem Wort erwähnt, sondern in der Bilanzierung der Gründe für den Erfolg Trumps “Systemversagen” feststellt. Klaus Remme im Deutschlandfunk:

“…Bilanziert man die Gründe für den Erfolg Donald Trumps steht unterm Strich: Systemversagen.

Eine politische Klasse in Washington, welche im Rest des Landes als Kaste erscheint, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und sich dabei zunehmend blockiert. Urteile des Obersten Gerichts, die unbegrenzte Mittel für Wahlkämpfe erlauben und jeden kleinen Kongressabgeordneten alle zwei Jahre in eine Millionenschlacht und damit in Abhängigkeiten zwingt. Eine Medienlandschaft, die durch “Talkradio” und 24-Stunden-Nachrichtenkanäle schon vor vielen Jahren durch Fake-News geprägt und verseucht worden ist. Dieses Geschäftsmodell ist durch Twitter und Konsorten inzwischen in eine völlig andere, noch gefährlichere Liga aufgestiegen…”

Remme war von 2007 bis 2012 Korrespondent in Washington. Schwerpunkt: Außen- und Sicherheitspolitik.

(1) “A two-night, four-hour miniseries examines the polarized America the next president will inherit“. Einen Film, den wir zurzeit leider nicht einsehen können. Erläuternd heißt es aber hier: “Kirk is currently producing and directing a four-hour miniseries, Divided States of America—the epic chronicle of the eight years of Barack Obama’s presidency woven against the backdrop of dramatic changes confronting the GOP, including the rise of Donald Trump. The program will air just before the Presidential inauguration in January of 2017.”


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