Anmerkung der Redaktion: Der folgende Beitrag bezieht sich auf die vorgestern erschienene Rezension des Buches “Das Ende der Heterodoxie? Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland” von Arne Heise, Henrike Sander und Sebastian Thieme. Wolfgang Schöller ist Professor emeritus für Volkswirtschaftslehre mit dem Lehr- und Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaftsprobleme / Entwicklungsländer. Er hat zuletzt an der Universität für Wirtschaft und Politik in Hamburg und zuvor über viele Jahre an den Wirtschaftsfakultäten der Universitäten Dar es Salaam/Tansania und Maputo/Mosambik gelehrt.
Die konfessionelle Abgrenzung der orthodoxen von der heterodoxen Ökonomie überzeugt mich nicht recht. Egal wo ich war, um mich herum ging es immer verriegelt zu. Gute Leute zeichneten sich dadurch aus, dass deutlich wurde, von welchen Prämissen und theoretischen Annahmen auszugehen war. Das erfolgte durchaus in Reflexion anderer Beiträge. Die Linken aus der Sowjetunion und aus der DDR waren nicht nur orthodox, sondern peinlich unwissend. Einige Ökonomen aus der DDR hatten wenigstens die Fähigkeit zum Dogmatismus. Marxisten aus Chile oder sonstwoher mit Parteibuch waren verriegelt, ich möchte nicht sagen orthodox, das wäre doch etwas zu positiv ausgedrückt. Da unterschieden sich die Neoklassiker und die Ökonomen der Kommunistischen Partei doch kaum.
In unseren Unis gibt es natürlich einen Mainstream. Das zu beklagen, ist müßig. Ich fand beispielweise, dass Joachim Starbatty oder Wilhelm Hankel im besten Sinne orthodox sind oder waren. Auch der ungeliebte Hans-Werner Sinn hat doch seine
ökonomischen Kollegen auf der anderen Seite nicht ignoriert. Da lief doch mehr an intellektueller Faulheit auf der Seite der linken Ökonomen als ich für möglich hielt.
Die Unterscheidung zwischen orthodox und heterodox ist rückblickend auf die Geschichte dieser Disziplin meines Erachtens anders zu betrachten: Welches Paradigma ist jeweils vorherrschend? Interessant oder aufschlussreich ist doch nicht so sehr, welche theoretischen Annahmen das jeweils herrschende Paradigma geprägt haben, sondern warum, unter welchen Umständen es zum Wechsel gekommen ist. Die theoretischen Annahmen gab es ja meist als Außenseiterpositionen, die nicht beachtet wurden. Warum aber wurden solche Positionen dann zum bestimmenden Paradigma?
Diesen Wechsel zu erklären, halte ich für entscheidend. Merkantilismus, Physiokratie, klassische Wertlehre, Neoklassik, Keynesianismus, Neoliberalismus … Diese Wechsel haben doch jeweils historische Gründe. Es geht darum, die Gründe für den Wechsel der Paradigmen zu verstehen.
Was ist schließlich der Gegenstand der jeweiligen Problemanalyse? Das ist nicht magere Mainstream-Debatte, sondern der Versuch, den empirischen und auch den Erklärungsgehalt von Arbeiten durchaus unterschiedlicher Konfessionen aufzugreifen.
Hier ließe sich ein Artikel schreiben, weshalb die Außenhandelstheorie, die stets vom nationalen Rahmen ausgegangen ist, zur Standortanalyse mutierte. Ökonomen welcher Richtung auch immer haben meist noch den nationalstaatlichen Rahmen implizit unterstellt.
Vielleicht breche ich besser ab mit einer Anekdote zu Joan Robinson: Diese unglaublich offene Lady nahm an einer Tagung über Krise teil. Die linken und keynesianischen Ökonomen erfuhren nicht das, was sie hören wollten. Die Studenten, so Robinson, würden in Moskau, in Berlin, Paris, egal wo, eine Flucht in die Mathematik erfahren. Die habe beabsichtigt und sei nicht die Folge, dass die Ökonomiestudenten davor bewahrt würden, etwas zu verstehen.
Streicheleinheiten bzw. akademische Karriere gibt es selbstverständlich
dann, wenn man sagt und bestätigt, was alle anderen auch sagen. Das ist doch
nicht so furchtbar neu, auch wenn der selbstgefällige Arne Heise meint, das
seriös belegen zu müssen.
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