Gewöhnen sich die Menschen an den Ist-Zustand in Deutschland und der Welt: Terror, Krieg, soziale Not, überbordender Reichtum, nationale Bestrebungen und den Umgang der Politik damit? Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die große Mehrheit der Menschen vermutlich gar nicht für Politik interessiert? Wann haben Sie zuletzt eine Zeitung in die Hand genommen oder sich im Internet tiefergehend mit Informationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auseinandergesetzt? Kannten Sie Martin Schulz, bevor er von der SPD zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde? Er war vorher immerhin Präsident des Europäischen Parlaments. Ich kenne gleich einige, die mit seinem Namen nichts anfangen konnten.
Was aber gibt es auch tatsächlich zu studieren? Ist nicht zu allem bereits alles gesagt? Nehmen wir die aktuelle Nachrichtenlage: Ein vermutlich weiterer Terroranschlag, diesmal in Manchester. Griechenland muss erneut um die Auszahlung neuer Kredite bangen. Trump und die aufgeregte Berichterstattung über ihn. Menschen, die aus allen möglichen Krisengebieten der Welt flüchten wollen. Wäre für Sie Armut ohne jede Perspektive nicht auch ein Grund zu flüchten? Es müssen ja nicht immer gleich Krieg und staatliche Willkür herrschen, wenn diese zumeist auch zu den ständigen Begleitern in diesen Ländern geworden sind. Erdogan, Brexit und die Bundestagswahl. An Themen mangelt es wahrlich nicht. Und doch, wen interessiert´s? Ist Ihr Alltag davon berührt? Wirklich zu interessieren, scheint es nicht einmal die Journalisten und Politiker selbst? Würden sie sich sonst nicht um neue Gesprächspartner bemühen, alte und neue Fragen stellen und beleuchten? Ist Journalist und Politiker zu sein für die meisten tatsächlich nicht einfach nur ein Job, ein Mittel, Geld zu verdienen? Und heißt es nicht in jedem Job, möglichst wenig anzuecken, sich in den Betrieb möglichst reibungslos einzufügen, schon aus Eigeninteresse, um Ärger zu vermeiden, was ja nichts anderes bedeutet, dass eben dies verlangt wird?
Dieser Betrieb aber schläfert ein, wie jede Routine einschläfert. Da wendet man sich eben doch lieber dem Alltag zu, Familie, Hobbys, Beruf. Irgendwann einmal hat man sich vielleicht auch für Politik interessiert, in der Schule, während des Studiums. Aber jetzt, unter diesen Umständen? Doch allenfalls, wenn man als Politiker gewählt oder wieder gewählt werden möchte oder wenn es eben der Job ist, der einen dazu verpflichtet.
Wenn man dieser fatalen Situation entkommen möchte, muss man sie erst einmal als fatal empfinden. Aber selbst wenn dies gelingt, was soll der Einzelne daran ändern? Aber warum überhaupt fatal? Nun, zumindest geben wir den Politikern und Journalisten und den vielen vermeintlichen Politik-Experten freie Hand, immer und immer wieder ihre Sicht der Welt zu präsentieren, sich zu bestätigen, weiter so zu machen wie bisher. Nichts zeigte dies zuletzt vielleicht deutlicher als die 100 Prozent Zustimmung für Martin Schulz, obwohl doch gar nicht klar war, was er eigentlich anders machen möchte. Es ist bis heute nicht klar. Deutlich ist vielmehr geworden, dass er im Kern gar nichts anders machen möchte. Und er ist dabei noch langweiliger als Merkel, wenn man seinen biederen und anbiedernden Sätzen auf twitter folgt. Wie will er so eine nennenswerte Zahl von Menschen für sich und für die Politik gewinnen? Was denkt er sich dabei? Nichts wahrscheinlich. Er kann nicht anders. Er hat jahrelang, vielleicht sein ganzes politisches Leben lang, nicht anders agiert. Nur Amt und Würden, die er darüber erlangt hat, haben sich geändert. Er ist aufgestiegen, wie ein guter braver Arbeitnehmer aufsteigen kann. Ohne Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen geht das natürlich nicht. Aber beliebt sind solche Menschen ja auch aufgrund dieser Charakteristika gerade nicht. Gewiss, auch Merkel musste sich durchsetzen, aber gegen einen übermächtigen Helmut Kohl und einen Männerwahlverein. Das ist etwas anderes, als bei klatschwütigen SPD-Genossen zu punkten oder den berühmten Ochsenweg zurückzulegen.
Was bleibt bei alldem zu tun für einen Journalisten und Wirtschaftswissenschaftler, will er nicht auch nur seinen Job machen? Hier gilt es wach zu bleiben. Nicht zu schreiben, um zu schreiben und dabei zuvor Geschriebenes doch nur in der einen oder anderen Variante zu wiederholen. Sondern dann zu schreiben, wenn es etwas zu schreiben gibt. Zum Glück pflegen wir hier unsere Propädeutika: die monatliche Konjunktur- und Medienanalyse. Sie sollen helfen, uns jeweils über den aktuellen Stand der Entwicklungen zu informieren. Das versetzt uns und unsere Leser in die Lage, die Entwicklung selbst wie die Berichterstattung in anderen Medien darüber zu hinterfragen. Aber dieses Medium hat natürlich auch immer von größeren Themen gelebt, die wir untersucht haben. Energiewende, Deindustrialisierung, Nahrunsgmittelkrise, um nur drei zu nennen.
Unsere jüngeren Analysen zum Brexit, zu Trump, zur anstehenden Bundestagswahl sind damit vielleicht nicht vergleichbar. Vielleicht aber nur deswegen, weil sie uns alltäglicher erscheinen. Auch sie aber sollen uns und den Lesern mehr Substanz geben, sei es für uns selbst oder im Beruf. Sie kommen vergleichsweise trocken daher, vergleicht man sie mit all dem Furor und der Besserwisserei in vielen etbalierten Medien und deren Kritikern in so genannten alternativen Medien. Gerade aber in Zeiten, wo sich solche Stimmen immer stärker radikalisieren und nicht selten für sich beanspruchen die einzig wahre Sicht der Dinge zu präsentieren, erscheint uns der Versuch, die Dinge nüchtern zu betrachten und dem Leser damit ein Hilfsmittel für seine eigene Meinungsbildung an die Hand zu geben, besonders wertvoll. Seien Sie also nicht irritiert, wenn, wie gerade, einmal nicht jeden Tag ein Artikel erscheint. Wir sind trotzdem am Ball.
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