Handelspolitik USA – Deutschland: Wer nicht hören will, muss fühlen

Die Auslandstour von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries in die USA ist vor allem eine plumpe Tour. So plump verteidigt sie den deutschen Außenhandelsüberschuss, dass man allein deswegen hoffen muss, dass sie scheitert. Nichts kann den hohen deutschen Außenhandelsüberschuss rechtfertigen. Weder die heimische Gesetzgebung, die von der Politik verlangt, für ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu sorgen, noch die ökonomische Logik, die besagt, dass der Außenhandelsüberschuss des einen, das Außenhandelsdefizit des anderen ist.

Seit Jahren ist bekannt, dass die Lohnentwicklung in Deutschland über viele Jahre den Verteilungsspielraum aus Produktivitätsentwicklung und Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht ausgeschöpft hat. Auch in den vergangenen zwei Jahren nicht, wo doch allgemein über eine gute Lohnentwicklung berichtet wurde. Seit Jahren ist darüber hinaus bekannt, dass Deutschland seine Investitionen in die öffentliche Infrastruktur so vernachlässigt hat, dass es Ausgaben in dreistelliger Milliarden-Höhe verlangt, um sie wieder instand zu setzen. Beides hat dafür gesorgt, dass sich die deutsche Inlandsnachfrage schwächer entwickelt hat, als in anderen Ländern, die infolge dessen mehr aus Deutschland nachfragen, als umgekehrt. Entsprechend müssen sie sich gegenüber Deutschland verschulden und Einbußen bei Wachstum und Beschäftigung in kauf nehmen.

Und beide Entwicklungen – die schlechte Lohnentwicklung und die schwachen Investitionen – sind natürlich politisch bedingt. Das zu bestreiten, wie es Zypries und andere Regierungsmitglieder bis heute versuchen, ist lächerlich. Sie sind damit aber immer wieder durchgekommen. Nicht, weil es die anderen Länder nicht besser wüssten, sondern weil sie Deutschland trotz ihrer gut begründeten Kritik haben gewähren lassen. Mit dem Ergebnis, dass der deutsche Außenhandelsüberschuss immer weiter gestiegen ist – und die so verwöhnten deutschen Politiker, Medien, Wirtschaftsvertreter und Wirtschaftswissenschaftler sich immer wieder aufs neue bestätigt fühlen durften. Zum Nachteil der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und dem Rest der Welt. Denn zweifellos hat die deutsche Wirtschafts- und Sozialpolitik – namentlich die Agenda 2010 – den Druck auf die Löhne erhöht und den auch international viel beachteten Niedriglohnsektor und dessen prekäre Beschäftigungsverhältnisse ausufern lassen. Das wiederum politische Dogma der “Schuldenbremse” und die darauf hinarbeitende Erzielung von Haushaltsüberschüssen ist zulasten der Investitionen in die öffentliche Infrastruktur gegangen. Nicht nur der deutsche Außenhandelsüberschuss ist politisch gemacht, auch die wachsende Armut, Ungleichheit sind es; sie haben die Zukunftsfähigkeit in Deutschland damit politisch aufs Spiel gesetzt. Das hat nicht zuletzt auch die populistischen Bewegungen und Parteien in Deutschland gestärkt.

Hauptverantwortlich dafür sind CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die genau diese Politik in Regierungsverantwortung entworfen und umgesetzt haben. Mit dieser Politik haben sie dem viel beschworenen Freihandel, auf den sie sich jetzt nicht minder plump berufen, am meisten geschadet. Denn Freihandel funktioniert auf Dauer nur, wenn alle Beteiligten davon in zumindest etwa demselben Ausmaß profitieren. Der deutsche Außenhandelsüberschuss ist Beleg dafür, dass dem nicht so ist. Insofern ist zu hoffen, dass die US-Administration, dass der neue französische Präsident, dass die Regierung in Großbritannien und dass EU-Kommission und EU-Parlament ihren Beschwerden über den deutschen Handelsbilanzüberschuss endlich Taten folgen lassen und der deutschen Regierung spürbare Konsequenzen aufzeigen. Denn nicht die Amerikaner sind in dieser Frage “störrisch“, wie uns der Spiegel online Redakteur Gerald Traufetter bar jeder Kenntnis der aufgezeigten Zusammenhänge weißmachen will, sondern die Deutschen. Wer nicht hören will, muss fühlen. Und Zypries hat gerade erst wieder gezeigt, dass die Bundesregierung nicht hören will.


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