Martin Schulz: Was nicht ist, kann ja noch werden

Ist die Bundestagswahl, respektive die Kanzlerschaft, für Martin Schulz und die SPD schon verloren? Viele sind davon bereits jetzt überzeugt. Und tatsächlich scheinen die Umfragewerte keinen anderen Schluss zuzulassen. Es sind jedoch nicht nur die Umfragewerte. Die sind ja selbst nur Ergebnis von Stimmungen und Überzeugungen, die tagtäglich neu beeinflusst werden können. Der bisherige Einfluss von Schulz und namhaften SPD-Politikern auf Bundes- und Landesebene war offensichtlich nicht dazu geeignet, die durch den Antritt von Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD gewonnenen Anschluss an CDU/CSU zu einem Vorsprung auszubauen. Im Gegenteil, CDU/CSU stehen nach der jüngsten Umfrage sogar besser da, als zu Beginn der Kanzlerkandidatur von Schulz, und die SPD bewegt sich stetig auf ihren niedrigen Ausgangswert zurück. Das Kernproblem von Schulz und der SPD scheint dabei das folgende zu sein:

Es gibt keine Wechselstimmung im Land. Das heißt jedoch nicht, dass nicht eine Mehrheit von Wählern, die mit der gegenwärtigen Politik unzufrieden sind, für einen Politikwechsel gewonnen werden könnte. Mit anderen Worten: Schulz und die SPD selbst müssten eine Wechselstimmung hervorrufen. Dazu müssten sie sich aber wohl glaubwürdig von der bisherigen Politik lossagen, denn davon sind sie seit über einem Jahrzehnt ein führender Teil, ja – berücksichtigt man die Agenda 2010 und die Schuldenbremse wie auch die Europapolitik – sogar ein tonangebender Teil. Nicht nur hat Schulz gerade erst eine führende politische Position – die des EU-Parlamentspräsidenten – verlassen; er hat auch bis zuletzt die bisherige Politik der SPD auf Bundesebene verteidigt. Schulz steht bisher also nicht für einen Wechsel, sondern für das Bestehende. Die zu Beginn seiner Kanzlerkandidatur ausgerufene Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit kann er so nicht glaubwürdig vertreten. Es ist auch nicht EU-feundlich oder pro-europäisch die nicht zu rechtfertigenden, zu Lasten anderer Länder gehenden deutschen Exportüberschüsse zu verteidigen, wovon auch Schulz nicht lassen kann.

Wie aber sollen Schulz und die SPD sich jetzt noch vom alten Kurs glaubwürdig verabschieden können? Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass Schulz all die Jahre, in denen er das Bestehende in hohen politischen Ämtern vertreten hat, dies gegen seine persönliche innere politische Haltung zu Wirtschaft und Gesellschaft getan hat. Um glaubwürdig zu sein müsste er also nicht nur die bisherigen politischen Leitlinien der SPD grundsätzlich ändern, sondern auch seine eigene persönliche Grundhaltung. Das ist kaum vorstellbar, wenn auch nicht unmöglich. Unmöglich aber ist es wohl mit der Leistung, die Schulz bisher erbracht hat, in Konkurrenz zu Merkel und CDU/CSU zu treten. Denn er unterscheidet sich in der politischen Praxis nicht von ihr. Er ist nur nicht so ehrlich wie Merkel, weil er nicht wie sie ganz offen zu dieser Politik steht, sondern meint, den Wähler mit ein paar sozialen Floskeln täuschen zu können. So dumm scheint aber noch nicht einmal der deutsche Michel zu sein. So verstanden könnte die Aussage von Schulz, die er in seiner Rede vor der IHK gerade erst getroffen hat, negativ gewendet auf ihn und seine bisherige Leistung zurückfallen, wenn er sagt: “Wer hilft unser Land nach vorne zu bringen, der muss belohnt und unterstützt werden. Auch das ist eine Dimension von Gerechtigkeit. Es ist Leistungsgerechtigkeit.”


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