Das Statistische Bundesamt berichtete vergangenen Freitag über den Reallohnzuwachs im ersten Quartal 2017. Überschrift und Lesart der Statistik durch das Amt täuschen jedoch über einen wesentlichen Sachverhalt hinweg.
“Trotz deutlich stärker gestiegener Preise”, so das Statistische Bundesamt in seiner Überschrift, befänden sich die Reallöhne – die um den Zuwachs der Verbraucherpreise bereinigten Nominallöhne also – “weiter im Plus”.
Wegen eben dieser deutlich stärker gestiegenen Preise aber ist der Zuwachs der Reallöhne regelrecht eingebrochen, obwohl die Nominallöhne – die nicht preisbereinigten Löhne also – zuletzt sogar wieder stärker zulegten.
Die entscheidende Botschaft ist dann auch, dass die Reallöhne mit einem Plus von 0,6 Prozent im ersten Quartal 2017 gegenüber Vorjahreszeitraum kaum noch zulegten. Im ersten Quartal 2016 war es noch ein Plus von 2,7 Prozent. Seitdem sind die Zuwachsraten der Reallöhne Quartal für Quartal gesunken.
Nur 0,3 Prozentpunkte der Differenz zwischen dem Reallohnzuwachs im ersten Quartal 2017 gegenüber dem ersten Quartal 2016 erklären sich dabei durch die Differenz beim Nominallohnanstieg (1. Quartal 2016: +2,9%; 1. Quartal 2017: +2,6 Prozent). Der Rest der Differenz geht auf den Anstieg der Inflation zurück. Lag der Anstieg der Verbraucherpreise im ersten Quartal 2016 noch bei 0,2 Prozent, betrug er im ersten Quartal 2017 1,9 Prozent. Ein Anstieg der Verbraucherpreise von 1,9 Prozent aber muss bei einem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von “unter, aber nahe zwei Prozent” als normal gelten.
Das Problem: Nicht nur die Arbeitgeber, auch die Gewerkschaften orientieren sich bei ihren Lohnverhandlungen an der tatsächlichen Inflationsrate (siehe dazu hier). Fällt und bewegt sich die tatsächliche Inflationsrate über einen längeren Zeitraum unter dem Inflationsziel von “unter, aber nahe zwei Prozent”, ist daher zu erwarten, dass auch die Nominalsteigerungen geringer ausfallen, als dies bei Berücksichtigung des Inflationsziels der Fall gewesen wäre. Seit dem vierten Quartal 2013 lag die tatsächliche Inflation teils weit unter der Zielinflation.
Selbst der den Gewerkschaften sicher nicht nahestehende Präsident der EZB, Mario Draghi, hat dies erst jüngst problematisiert (siehe dazu hier). Von den Gewerkschaften ist hierzu nichts zu hören und zu lesen. Bei den Verantwortlichen sollte jedoch gerade dort die berechtigte Angst umgehen, dass die durch niedrige Inflationsraten genährten Reallohnsteigerungen in der Vergangenheit sich schon sehr bald als enttäuschend entpuppen könnten, dann nämlich, wenn die tatsächliche Inflation wieder das Niveau des Inflationsziels erreicht. An anderer Stelle hat dies das Statistische Bundesamt mit Blick auf die Entwicklung der Tarifverdienste auch durchaus erkannt und benannt (siehe hier).
Eine stabile und verteilungsneutrale Lohnentwicklung ließe sich daher wohl nur verwirklichen, wenn neben der Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsproduktivität das Inflationsziel und nicht die tatsächliche Inflationsrate bei den Lohnverhandlungen berücksichtigt würde. Solange dies nicht geschieht, darf man sich auch nicht über eine mangelnde Binnennachfrage und ausufernde Außenhandelsüberschüsse wundern (siehe dazu zuletzt auch hier).
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