Groß ist der Reiz, zuerst die Kapitel über Syrien aufzuschlagen. Kann Jürgen Todenhöfer meine Neugierde stillen, meinem bescheidenen Wissen zu dem dort herrschenden Krieg ein Fundament geben, einem Krieg, der sich von Demonstrationen über einen Bürgerkrieg längst zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet hat, und dem ich nichts entgegenzustellen weiß, als meine pazifistische Grundhaltung? Gestern Mittag habe ich die Lektüre des gerade erschienenen Buches von Jürgen Todenhöfer begonnen, und gestern Nacht habe ich sie beendet. Es war mir unmöglich, das Buch vorher aus der Hand zu legen. Heute früh höre ich in den Nachrichten, dass der Frieden in Syrien und darüber hinaus doch noch eine Chance bekommen hat, der Militärschlag der USA nicht länger unmittelbar bevorsteht. Obama, der Friedensnobelpreisträger und Oberbefehlshaber der Armee ist, die auch unter seiner Führung und auf seinen Befehl den Krieg weltweit als Mittel zum Frieden begreift, droht zwar weiter. Aber er steht mit dem Rücken zur Wand. In seinem eigenen Land. Denn die amerikanische Bevölkerung ist weiter als ihr Präsident. Sie glaubt nicht mehr an den Krieg. Und ausgerechnet Russland – aus welchen Motiven auch immer – drängt, anders als der amerikanische Präsident – aus welchen Motiven auch immer -, auf Verhandlungen und hat eine neue Erfolg versprechende Initiative angestoßen: das syrische Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen. Der amerikanische Präsident meint, dass es ohne seine Androhung eines Militärschlags dazu nicht gekommen wäre. Er hat immer noch nicht verstanden. Umso wichtiger ist es nun, dass die syrische Seite bzw. die syrischen Seiten, die russische und die iranische Seite überzeugen, dass Frieden zu schaffen ohne Waffen möglich ist.
Archiv für Politik
Zitat des Tages/Krieg/Syrien/Papst Franziskus: “Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens…”
Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens. Vergebung, Dialog, Versöhnung, dies sind die Worte des Friedens, in Syrien, im Nahen Osten, in der ganzen Welt.
Mit diesen Worten warnte Papst Franziskus gestern in Rom während einer vierstündigen Messe vor einem Militärschlag in Syrien. (Quelle: Deutschlandfunk, Syrien – Spekulationen um Giftgas, Informationen am Abend, 08.09.2013, 18:15)
Olaf Scholz/Hannelore Kraft/SPD/Bundestagswahlkampf und danach: Nach der Wahl ist vor der Wahl – der “Nachwuchs” ist grottig und rechts
Olaf Scholz, derzeit (zu seiner Vorgeschichte gleich mehr) mit absoluter Mehrheit regierender Bürgermeister von Hamburg, Landesvorsitzender der SPD Hamburg und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, vereinnahmt zu Unrecht: “Und alle wissen, dass Deutschland auch wegen der Reformen des sozialdemokratischen Kanzlers Schröder gut dasteht”, sagte er der Welt am Sonntag. Wer aber ist “alle”? Wenn es ein mir unbekannter Name wäre, hätte Die Welt am Sonntag alle doch sicherlich groß geschrieben; und Scholz hätte “und Alle weiß” gesagt. Wenn es sich aber nicht um einen Fehler grammatikalischer Natur handelt, kann es sich nur um Ignoranz handeln. Und in der Tat scheint Scholz genau darin Meister. Er steht damit in der SPD beileibe nicht allein.
Bundespräsident Gauck/Syrien: Der gewaltbereite Präsident
Das ist wirklich bemerkenswert, und es gehört für mich – so sehr das auf den ersten Blick schockieren mag – zusammen: Gauck hat in Frankreich nicht nur die Agenda 2010 gelobt. In einem Interview hat Gauck sich, zwar durch die Blume, aber doch unmissverständlich, für ein militärisches Eingreifen gegen Syrien als Reaktion auf den Giftgaseinsatz ausgesprochen. Beides – die Agenda 2010 und umso mehr der Einsatz militärischer Mittel – tut den Menschen Gewalt an, und ihre Befürworter suchen die Schuld in beiden Fällen auf einer Seite, sie suchen nach einem Schuldigen, sie sehen einen Gegener, einen Feind. Dass ein ehemaliger Pfarrer so spricht und handelt und Gewalt als politische Option begreift, ist ein besonders trauriger Fall von mangelndem Einfühlungsvermögen, fehlendem Gerechtigkeitssinn und wenig ausgeprägtem Problembewusstsein.
Zitat des Tages/Quotation of the day: Obama auf Abwegen/Obama erring
Obama hat als Präsident ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen. Multilaterale Diplomatie nimmt wieder eine zentrale Position ein, mit Betonung der besonderen Rolle, die die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen spielen können. Dialog und Verhandlungen sind die bevorzugten Instrumente, um sogar die schwierigsten internationalen Konflikte zu lösen. (Übersetzung, Florian Mahler)
Eurokrise/Bundestagswahl: Steinbrück und SPD bestehen darauf von Merkel als zuverlässiger Handlanger für ihre falsche Europapolitik anerkannt zu werden
Ist die SPD jetzt endgültig durchgedreht? Da sagt Merkel etwas locker daher, dass die SPD in der Europapolitik “unzuverlässig” sei, und schon echauffieren sich die SPD und ihr Kanzlerkandidat – nicht über Merkels Europapolitik, sondern darüber, dass Merkel ihnen nicht als zuverlässiger Handlanger für ihre desaströse Europapolitik Anerkennung zollt. Man glaubte gestern seinen Ohren nicht zu trauen. Aber der politische Wahnsinn setzt sich heute früh weiter fort. Der Parlamentarische SPD-Fraktionsführer Oppermann fordert jetzt gar eine Entschuldigung der Kanzlerin.
Medienanalyse/August: Wie häufig kamen die Parteien im öffentlichen Rundfunk zu Wort?
Im Juli haben wir unsere Medienrecherche bezogen auf den wichtigsten öffentlich-rechtlichen Nachrichten-Hörfunk-Sender, den Deutschlandfunk, einmal zusammengefasst einem breiteren Leserkreis geöffnet. Das Ergebnis hat breite Resonanz gefunden. Eine ebenso aufmerksame wie engagierte Leserin, die jene Zusammenfassung der Ergebnisse an den Deutschlandfunk weiter geleitet hat, sendete mir wiederum die Antwort des Deutschlandfunks an sie, in der es heißt: “Danke für die Nachricht. Ihre Frage nehmen wir ernst, genauso wie die Auswertung auf der Seite ´Wirtschaft und Gesellschaft´. Wir werden diese Statistik sorgfältig prüfen, haben aber auch noch einige offene Fragen…” Bei unserer Redaktion sind seitens des Deutschlandfunks allerdings keine Fragen eingegangen, und Prüfungsergebnisse des Deutschlandfunks – die wir natürlich begrüßen würden, weil vor Fehlern ja niemand gefeit ist – sind uns ebenfalls nicht bekannt. Der Sache nicht gerecht wird dieses vom Deutschlandfunk angeführte “Argument”: “Leitende Kriterien für uns sind Aktualität und Relevanz. Dennoch achten natürlich die Kollegen in allen Redaktionen darauf, dass alle parlamentarisch vertretenen Parteien zu Wort kommen und journalistisch begleitet werden. Das gilt für unsere bundespolitischen Korrespondenten im Hauptstadtstudio genauso wie für die Kolleginnen und Kollegen in der Nachrichtenredaktion, im Zeitfunk („Informationen am Morgen“) oder beim „Hintergrund“. Die Frage kann also nicht nur auf die eine journalistische Form der Interviews reduziert werden. Aber auch da können wir Ihnen sagen, dass wir noch am vergangenen Sonntag unser wichtigstes und medial am meisten beachtetes Interview, das „Interview der Woche“, mit Gregor Gysi geführt haben.” Der von uns kursiv hervorgehobene Teil spricht eher dafür, dass der Deutschlandfunk nicht aufmerksam gelesen hat. Denn zum einen berücksichtigen wir explizit die Interviews der Woche, zum anderen können wir ein im August geführtes Interview schwerlich für den expliziten Zeitraum April-Juli mit einbeziehen. Darüber hinaus – und hier macht sich der Sender nun wirklich lächerlich in seinem Antwortschreiben an die Leserin – kann ein einzelnes Interview, das der Deutschlandfunk oben hervorhebt, schwerlich die festgestellten Ergebnisse für vier Monate entkräften. Wer seine Leser bzw. Hörer so an der Nase herumführt, wirkt in dieser Frage nicht eben seriös und scheint die Thematik vielmehr tatsächlich nicht ernst zu nehmen, sondern nach Ausflüchten zu suchen.
Zitat des Tages/Kanzlerduell/Peer Steinbrück/Jakob Augstein: Mehr Kaufkraft durch Mindestlohn für private Altersvorsorge
Was ich dort beschreibe, ist nicht nur sozial gerecht, sondern ist auch ökonomisch vernünftig. Es würde die Kaufkraft stärken, es würde dazu beitragen, dass viele Menschen eine private Altersvorsorge betreiben können und der Staat würde entlastet werden.
(Peer Steinbrück im Kanzlerduell, nachdem er einen Mindestlohn von 8 Euro 50 gefordert hat. Hier in aller Kürze nachzuhören.)
Krieg/Syrien: Nur der Krieg darf Gegner sein
Wenn der Krieg schon wieder alltäglich zu werden droht oder bereits ist, wenn er als etwas Selbstverständliches begriffen wird, selbst, wenn die, die ihn als selbstverständlich begreifen, ihn verurteilen, dann spätestens ist es an der Zeit, erneut zu versuchen, ihm wieder grundsätzlich zu begegnen. Ein Grundsatz ist: Der einzige Gegner im Krieg darf nur der Krieg sein. Nicht die eine oder die andere Seite eines Konfliktes oder Krieges darf der Feind sein, sondern nur der Krieg selbst.* Zu meinen, Frieden mit Gewalt herbeiführen zu können – und diese Auffassung bestimmt die Politik – kann nur bedeuten, dass man den Krieg nicht nur als Gegner begreift, sondern immer auch als Mittel.