Abgeordnetenhauswahl Berlin: Das eigentliche Versäumnis der LINKEN (19.09.2011)
DIE LINKE wird viel kritisiert – wenn sie denn überhaupt noch von den so genannten Leitmedien wahrgenommen wird. Die Medien klammern die auf Bundesebene zweitstärkste Oppositionsparteiallzu häufig in ihrer Berichterstattung aus. Der Umgang der Medien mit der Linkspartei ist für DIE LINKE indes kein Thema. Kein Thema war für die Berliner LINKE auch der Westteil der Stadt. Und hierin liegt ihr eigentliches Versäumnis.

Im Westen nichts Neues

Das vielleicht schockierendste Wahlergebnis für DIE LINKE in Berlin ist nicht etwa der Verlust der Regierungsverantwortung. Es sind diese beiden Zahlen, die mir heute ins Auge sprangen:
Abgeordnetenhauswahl Berlin 2011, Vorläufiges Ergebnis West: DIE LINKE: 4,3

 

Abgeordnetenhauswahl Berlin 2011, Vorläufiges Ergebnis Ost: DIE LINKE 22,6

 

DIE LINKE hat es in zehn Jahren Regierungsverantwortung nicht geschafft, den Westen Berlins zu erreichen. Das ist ein politisches Armutszeugnis. Wenn man dazu erfährt, dass engagierte Wahlkämpfer der LINKEN im Westteil der Stadt um jedwede Unterstützung betteln mussten, häufig genug ohne Erfolg, ja quasi gar kein Wahlkampf dort von der Landesebene aus geführt wurde, frei nach dem wohl nicht selten auch freimütig ausgesprochenen Motto: der Westen interessiert uns nicht, dann, ja dann darf man sich nicht wundern. Das Wahlplakat der LINKEN in Berlin, “Mieter vor Wild-West schützen – DIE LINKE“, spricht auch in dieser Hinsicht Bände. Besonders peinlich auch und für jeden mit halbwegs politisch ausgebildetem Verstand sofort erkennbar: Für die steigenden Mieten in Berlin ist DIE LINKE, weil seit zehn Jahren an der Regierung, mit verantwortlich – sie hätte die betroffenen Mieter vor Wildwest im Osten wie im Westen der Stadt schützen müssen. Die Verdummung der Wähler hat – ein positives Ergebnis dieser Wahlen – in Berlin nicht verfangen.

Fehleranalyse – Fehlanzeige

Die einschlägigen Medien thematisieren dies nicht; sie halten sich lieber an den Spitzenkandidaten der LINKEN in Berlin, der die Verantwortung für die Stimmenverluste freilich in der Bundesspitze der LINKEN sucht; das passt dann ja aber auch wieder ins mediale Konzept: Kommunismusdebatte, Mauerbaudebatte…Man kann der LINKEN in der Tat diesen ganzen Humbug, ihre hauseigene politische Quacksalberei, die sie sich in den vergangenen eineinhalb Jahren geleistet hat, vorwerfen. Das rechtfertigt es aber noch lange nicht, deren politische Inhalte bzw. deren Präsenz in den Medien gleich ganz auszublenden. Schon gar nicht aber erklärt es jenes Debakel der linken Berliner Landespolitik. Auch, wenn die Verantwortlichen in Berlin da natürlich ganz anderer Meinung sind:

 

Viele Diskussionen in der Bundespartei´ hätten ´uns nicht mit Rückenwind versehen“, zitiert der Tagesspiegel Spitzenkandidat Harald Wolf.”Stefan Liebich, der lange die Berliner Partei führte und inzwischen für die Linke im Bundestag sitzt, analysierte, die Partei habe immer noch ein Problem damit, im Westen die Wähler zu überzeugen, obwohl sich dort die Akzeptanz in den vergangenen Jahren stark verbessert habe“, schreibt der Tagesspiegel.

Wie man bei 4,3 Prozent im Westen auf eine stark verbesserte Akzeptanz beim Wähler im Westen schließen kann, bleibt das Geheimnis von Liebich.

DIE LINKE habe in zehn Jahren Regierungszeit viel erreicht“, meint der Fraktionschef der LINKEN, Udo Wolf, Bruder des Spitzenkandidaten Harald Wolf.

Das alles klingt nicht eben selbstkritisch und nach interessierter Fehlersuche.

DIE LINKE ist in Berlin – noch mehr als auf Bundesebene - vielfach ein undurchschaubarer persönlicher Küngel, der mehr von eigenen Karriereinteressen als von politischen Überzeugungen, Inhalten und Strategien geleitet ist. Sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal dieser Partei, aber aufgrund ihrer besonderen Geschichte und weil immer noch im Aufbau begriffen, besonders verheerend. Hier ein anderes Klima zu schaffen, mehr Offenheit, Transparenz und politische Inhalte strategisch nach vorne zu bringen wird schwierig werden. Mit dieser Spitze wird es schwerlich gelingen. Welcher Nachwuchs aber könnte sie ersetzen? Eine große Unbekannte.

Strategische und personelle Neuausrichtung notwendig

Hier wie dort, in der Berliner Landespolitik wie auf Bundesebene, bedarf es hierzu neben der inhaltlichen Weiterentwicklung einer Neuorientierung in der Personalpolitik, sowohl das politische “Personal” als auch die Stäbe betreffend, die den Kurs der Partei mit bestimmen. Ob die hierfür Verantwortlichen hierzu die Kraft aufbringen, ist fraglich.

Wem es nach zehn Jahren in der Regierung nicht gelungen ist, ein ungefähr gleiches Ergebnis im Osten wie im Westen der Hauptstadt zu erzielen, dessen politische Strategie muss man als gescheitert betrachten. Die SPD hat in Ost wie in West ein etwa gleiches Ergebnis erzielt, ja, selbst den Neuankömmlingen, den Piraten, ist dies auf Anhieb gelungen.

DIE LINKE in Berlin sollte in der Tat dringend in Klausur gehen. Warum wohl noch keine Rücktrittsforderungen laut geworden sind? Wenn das bisherige Spitzenpersonal jetzt eine kämpferische Oppositionspolitik ankündigt, wird das wahrscheinlich ähnlich unglaubwürdig ausgehen wie derzeit bei der SPD auf Bundesebene. Es zieht nun einmal nicht, gegen die eigene, in der Regierungsverantwortung ausgeübte Politik zu opponieren, sobald man nicht mehr an den Schalthebeln der Macht sitzt. Jedenfalls dann nicht, wenn man nicht gleichzeitig eine überzeugende Fehleranalyse und Neuausrichtung liefert.

Will DIE LINKE in Berlin eine glaubwürdige Opposition abgeben, wird sie nicht um einen Austausch der Führung herumkommen. Da dies aufgrund des parteiinternen Machtgefüges kaum realistisch erscheint, wird DIE LINKE in Berlin voraussichtlich auf absehbare Zeit keinen Boden wieder gut machen.


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